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Newsletter 4/21

22.07.2021

KOMMENTAR

Akademische Freiheit: Ein gefährdeter Wert

„Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.“ Dieser Satz, festgeschrieben in Artikel 17 des Staatsgrundgesetzes und in vielen österreichischen Universitätsgebäuden prominent angeschrieben, ist für uns heute eine Selbstverständlichkeit. Eine Selbstverständlichkeit, die aber mit der Verpflichtung einhergeht, diese Freiheit nicht nur zu genießen, sondern sie auch aktiv zu nutzen und gegebenenfalls auch zu verteidigen. Und das scheint immer häufiger notwendig zu sein.

Vor allem dem Thema akademische Freiheit widmet sich das internationale Netzwerk Scholars at Risk (SAR): Es wurde 1999 an der Universität Chicago gegründet und ist ein Zusammenschluss von wissenschaftlichen Institutionen, die sich um die Freiheit der Wissenschaft und Forschung sorgen. Die teilnehmenden Partner wollen es verfolgten Lehrenden und Forschenden aus repressiven Systemen ermöglichen, für eine gewisse Zeit als Gastwissenschafter*in an einer Mitgliedsuniversität frei lehren und forschen zu können. Daneben ist ein wichtiger Schwerpunkt, dass sich die Mitglieder für die Bedeutung wissenschaftlicher Freiheit als Grundlage für die Weiterentwicklung unserer Gesellschaften einsetzen und einen Beitrag dazu leisten, das Bewusstsein für die Wichtigkeit dafür zu fördern. Seitens der uniko sind die Universität Graz, die Universität Klagenfurt, die Universität Wien und die Wirtschaftsuniversität Wien Mitglieder.

Besorgniserregende Entwicklungen

Scholars at Risk gibt einen jährlichen Bericht zu Übergriffen auf Universitäten und Universitätsangehörige weltweit heraus. Der aktuelle Monitoring-Report zeigt, dass es im Zeitraum vom 1.9.2019 bis 30.8.2020 zu 341 Angriffen auf Universitäten, Professor*innen oder Studierende gekommen ist. Und das passiert auch immer häufiger in Europa: In der Zeit von Juni 2020 bis Juni 2021 wurden 45 Übergriffe registriert und dokumentiert. Um nur einige Beispiele zu nennen: In Bulgarien wurde im April 2021 ein Professor der University of National and World Economy (UNWE) gekündigt, weil er sich auf seiner Facebook-Seite kritisch dazu geäußert hatte, dass dem amtierenden Staatschef während des Wahlkampfes ein Auftritt an der Universität gewährt wurde (zwischenzeitlich wurde die Kündigung widerrufen). In Slowenien wurden mehrere Akademiker*innen zu Geldstrafen verurteilt, weil sie auf den Demonstrationen gegen die Regierung Lesungen machten oder aus der Verfassung zitierten. In Belarus wurden mehrere Universitätsangehörige verhaftet, weil sie sich dem Protest gegen Lukaschenko anschlossen hatten. In Ungarn wurde die Leitung der Universitäten an private Stiftungen übertragen und damit an Personen aus dem engeren Umfeld des Premierministers.

Aus dem Netzwerk Universities for Enlightment (U4E), bei dem auch die uniko Mitglied ist, wurden aus mehreren Hochschulkonferenzen besorgniserregende Entwicklungen berichtet. Meist erfolgt die Einschränkung der akademischen Freiheit und die politische Kontrolle über Universitäten durch Gesetzesänderungen (wie z.B. in Polen angekündigt). Es gibt aber auch andere Formen der Repression: In Serbien wurde soeben die sehr erfolgreiche Rektorin der Universität Belgrad, die im Senat weitaus mehr Stimmen als der Gegenkandidat hatte, vom Unirat zugunsten von diesem nicht mehr bestätigt – was in Zusammenhang damit stehen dürfte, dass davor dem amtierenden Finanzminister plagiatshalber der Doktortitel aberkannt wurde.

Und wie sieht es in Österreich aus? Noch recht gut, genießen wir doch ein hohes Maß an Autonomie, wenngleich es immer wieder gilt, z.B. UG-Novellen mit Blick auf Eingriffe in die Autonomie besonders zu beleuchten. So hatte z.B. der ursprüngliche Entwurf der letzten UG-Novelle vorgesehen, dass die Richtlinienkompetenz des Rektorats mit der Leistungsvereinbarung hätte verbunden werden können. Damit wäre ein Tor geöffnet worden, seitens der Politik direkt auf die Curricula Einfluss zu nehmen. Die Bindung zur Leistungsvereinbarung wurde wieder fallen gelassen, nachdem es dazu heftige Kritik hagelte.

Die neuesten Entwicklungen zeigen also, dass akademische Freiheit ein hohes Gut darstellt, das es zu schätzen und immer wieder zu verteidigen gilt. Oder wie Albert Camus meinte: Die Freiheit besteht in erster Linie nicht aus Privilegien, sondern aus Pflichten.

In diesem Sinne sollte es uns allen ein Anliegen sein, an unseren Universitäten akademische Freiheit nicht nur zu leben, sondern uns für sie national und international einzusetzen.

Edeltraud Hanappi-Egger
Rektorin der Wirtschaftsuniversität Wien und Mitglied des uniko-Präsidiums

INTERNATIONAL

Universities for Enlightenment

Die Inhaftierung des Journalisten Roman Protassewitsch und seiner Begleiterin Sofia Sapega nach der Zwangslandung eines Passagierflugzeugs in Belarus Ende Mai hat sieben Rektorenkonferenzen des Netzwerks Universities for Enlightenment (U4E) dazu veranlasst, die sofortige Freilassung der beiden in einer gemeinsamen Stellungnahme zu fordern. Die Unterzeichner, darunter auch die uniko, seien "tief besorgt über die Verletzung der demokratischen und Menschenrechten, die wir in Europa weiterhin erleben", heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Daran ändert auch der Umstand wenig, dass die Haftstrafe der beiden Oppositionellen zwischenzeitlich in Hausarrest umgewandelt wurde. Die Unterzeichner schlossen sich den Forderungen der EUA, Scholars at Risk und der European Students' Union an, Studierende und Forschende zu unterstützen, die wegen ihres Engagements für demokratische Gesellschaftsstrukturen politisch verfolgt werden.

Die Österreichische Universitätenkonferenz (uniko) verurteilte in einer Presseaussendung die EU-feindlichen Inserate der ungarischen Regierung in diversen europäischen Zeitungen als einen weiteren Frontalangriff auf Demokratie, Freiheit und Menschenrechte in Europa. „Nachdem das Orbán-Regime den Großteil der ungarischen Universitäten unter seine Kontrolle gebracht und jeden kritischen Diskurs im eigenen Land im Keim erstickt hat, verbreitet es seine menschen- und wissenschaftsfeindliche Propaganda nun in ganz Europa“, so uniko-Präsidentin Sabine Seidler.

Wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika

In der gemeinsamen Erklärung “Enhan­cing Research Excellence at African Universities through European-African Coope­ration“ richtet die europäische Hochschulgemeinschaft einen Appell an die Europäische Kommission, die wissenschaftliche Zusammenarbeit mit Afrika zu fördern und weiter zu stärken. Die über 1.100 unterzeichnenden Hochschulen heben hervor, dass eine intensivierte Forschungszusammenarbeit zwischen Europa und Afrika entscheidend für das Bestreben beider Kontinente sei, große Herausforderungen wie die aktuelle COVID-19-Pandemie, Ungleichheit, die digitale Transformation und den Klima­wan­del gemeinsam zu bewältigen. Die Erklärung unterzeichneten 20 nationale Rektorenkonferenzen – darunter auch die uniko – und die European University Association.

MEDIEN

uniko-Präsidentin Sabine Seidler nahm ein Presse-Hintergrundgespräch Anfang Juli zum Anlass, um Bilanz über das vergangene Semester zu ziehen und einen Ausblick auf den Herbst zu wagen. Neben der Novelle des Universitätsgesetzes, das u.a. eine umfassende Neuordnung der hochschulischen Weiterbildung mit sich bringt, ging es in dem Gespräch um die Frage, wie sich die Universitäten in Zukunft inhaltlich wie strategisch positionieren wollen.

ZITAT DES MONATS

"Wenn der Professor vorne steht und langweilige Vorlesungen hält, ist es schnurzpiepegal, ob die Studierenden im Kinderzimmer oder im Hörsaal sitzen."

Anja Lüthy, BWL-Professorin an der Technischen Hochschule Brandenburg, in einem Streitgespräch zum Thema Präsenzlehre versus digitale Hochschulformate, veröffentlicht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 17. Juli 2021.

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