KOMMENTAR
Back for Good – Was bringt uns das neue Semester?
Am ersten Oktober beginnt das neue Studienjahr. Viele Erstsemestrige starten bereits früher, um sich in Vorbereitungskursen auf ihr Studium vorzubereiten – eine gute Gelegenheit, um die seit Wochen und Monaten an den Universitäten entwickelten Sicherheitsvorkehrungen einem Praxistest zu unterziehen. Denn entgegen dem vielfach verbreiteten Irrglauben, die Universitäten würden nur unwillig bzw. unkoordiniert in die Hörsäle zurückkehren, bereiten sich diese bereits seit Juni dieses Jahres auf ein Wintersemester mit möglichst viel Präsenz vor – und das ohne, dass es dafür einen Aufruf des Ministers gebraucht hätte.
Eine langfristige Semesterplanung ist nicht nur in Covid-19-Zeiten notwendig, jetzt aber umso mehr, da je nach Größe und inhaltlichen Anforderungen unterschiedliche Szenarien geplant und logistisch umgesetzt werden müssen. Zusätzlich werden bundesländerspezifische Sicherheitsempfehlungen berücksichtigt und die Infektionslage im Auge behalten. Ziel: So viel Präsenz wie möglich. Eine wesentliche Rolle spielten dabei die 3Gs, sollen doch Tausende Studierende und Lehrende sicher und gesund durch das kommende Wintersemester gebracht werden. Die Anforderungen, um dies zu gewährleisten, sind von den jeweiligen Lehrinhalten abhängig, d.h. sie unterscheiden sich von Fach zu Fach und auch nach den räumlichen Möglichkeiten, woraus sich eine große Diversität in den gesetzten Maßnahmen auch innerhalb der Universitäten ergibt. Von außen betrachtet mag das chaotisch wirken, tatsächlich steckt dahinter ein komplexes und wohldurchdachtes Sicherheitskonzept, das nur ein Anliegen verfolgt: so viele Studierende wie möglich wieder auf dem Campus begrüßen zu können und das möglichst das ganze Semester. Jedenfalls ist zu hoffen, dass dem Präsenzaufruf nicht, wie im letzten Jahr, der Distanzaufruf folgt, der sicher auch zu der Mär von der „geschlossenen Universität“ beigetragen hat. Wie auch immer die OECD-Einschätzung zustande gekommen ist – sie entspricht nicht den Tatsachen. Viele Formate wie Labors, Kunstunterricht, kleinere Lehrveranstaltungen sowie Prüfungen fanden während der gesamten Zeit vor Ort statt. An manchen Unis wurde sogar bis zu 90 % der Lehre in Präsenz abgehalten. Nur wo das nicht möglich war oder wir dazu aufgefordert waren, hat Lehre im Distanzmodus stattgefunden und das war ein notwendiger Beitrag zur Eindämmung der Pandemie.
Während wir gemeinsam mit allen Universitätsangehörigen hart daran arbeiten, einen sicheren Universitätsbetrieb zu gewährleisten, unsere Ziele in Forschung, Lehre und 3rd Mission zu verwirklichen und uns im Rahmen der Leistungsvereinbarungsverhandlungen mit einem noch nie dagewesenen Ausmaß an bürokratischem Mikromanagement herumschlagen, werden wir mit einer Presseaussendung zur neuen TU in Oberösterreich konfrontiert, die uns indirekt ausrichtet, dass auf Basis des Universitätsgesetzes weder ein innovatives Arbeiten, noch ein qualitatives Lehren, geschweige denn ein effizientes Führen möglich ist. Wenn das der Befund zur Verfasstheit des österreichischen Universitätssystems ist, muss man dann nicht an dieser Stelle ansetzen? Schließlich wird es in weiten Teilen die Aufgabe der bestehenden österreichischen Universitäten sein, die FTI-Strategie der Bundesregierung umzusetzen und dazu müssen die Universitäten auch befähigt werden, nicht nur mit Geld, sondern auch mit dem entsprechenden gesetzlichen Rahmen. Das IST Austria-Gesetz hat schlanke acht Seiten, das Universitätsgesetz 127. Darin ist nicht nur die Autonomie der Universitäten festgeschrieben, sondern auch viele Regulierungen, denen die Hochschulen unterliegen. Dennoch ist das UG – trotz aller Schwächen – das gemeinsame Fundament, auf Basis dessen die Hochschulen sehr erfolgreich arbeiten, wie die Entwicklung der österreichischen Universitäten seit 2004 zeigt.
Vor gerade einmal fünf Jahren haben wir uns im Prozess „Zukunft Hochschule“ mit der Konsolidierung des tertiären Sektors beschäftigt. Das war mühsam und ist mehr oder weniger gut gelungen. Es ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass der Schwanz beginnt mit dem Hund zu wedeln, indem sich die 22 UG-Universitäten an die neu zu errichtende Universität anpassen. Im Gegenteil: „die Neue“ muss eingepasst werden. Die Forderung nach einer Bedarfsanalyse für Österreich und einer strategischen Planung kommt ja nicht von ungefähr. Nur so kann von Beginn an der Mehrwert erarbeitet werden, den eine solche Neugründung erbringen muss.
Sabine Seidler
Präsidentin der Universitätenkonferenz und Rektorin der TU Wien