KOMMENTAR
Bilanz im Zeitraffer: uniko-Vorsitz 2016 bis 2017
Regierungsprogramme, Verhandlungsrunden, Regierungsvorlagen, Rücktritte, Koalitionsbrüche, Nationalratswahlen und ein Verfassungsjubiläum: In den letzten zwei Jahren war es mir vergönnt, das volle hochschul- und innenpolitische Programm auszuschöpfen. Trotz ambivalenter Phasen, wenn Dinge auf der Kippe standen, ist es ein Blick zurück in Freude – und ein in jeder Hinsicht spannender Ausblick.
Die Chronologie der Ereignisse: Meine erste Pressekonferenz als Vizepräsident der uniko, gemeinsam mit Präsidentin Sonja Hammerschmid, fand bereits im Dezember 2015 statt. Wir setzten gemeinsame Aktivitäten im Zeichen der Qualität und Attraktivität der 21 österreichischen Universitäten. Dann kam der Antritt Christian Kerns als Bundeskanzler am 17. Mai 2016, und Hammerschmids Zusage als Bildungsministerin.
Meilensteine. Die Wahl zum Präsidenten der uniko erfolgte am 6. Juni 2016 durch die in Klagenfurt tagende Plenarversammlung. Am 9. Juni schloss sich der „Besuch der Identitären“ an. Gespräche mit Bundeskanzler Kern folgten Ende August, am Millstätter See, und im November 2016. Sein im Jänner 2017 vorgestellter „Plan A“ war ein Paradigmenwechsel: das erste Mal seit sehr langem, dass sich die SPÖ-Spitze programmatisch zur Universitätsentwicklung äußerte. Der Text trug die Handschrift Kerns und Hammerschmids. Das aktualisierte Regierungsprogramm wurde Ende Jänner 2017 unterzeichnet; es enthielt den Einstieg in die Studienplatzfinanzierung mit konkreten Meilensteinen.
Es folgten Entwicklungs- und Verhandlungsrunden von uniko und BMWFW im Zweiwochentakt, von Februar bis Mai 2017. Anfang Mai ein Knalleffekt: Reinhold Mitterlehner tritt als Vizekanzler, Wissenschaftsminister und ÖVP-Obmann zurück; die Republik ist bald darauf im Wahlkampfmodus. Christian Kern lädt die 21 Rektorinnen und Rektoren für 6. Juni 2017 ins Bundeskanzleramt, lässt aber kaum Hoffnung auf Programmumsetzung vor den Neuwahlen. Umgehend folgen Vorschläge für Alternativmodelle und, viribus unitis, intensive Überzeugungsarbeit vor und hinter den Kulissen. Die parlamentarischen Verhandlungen von ÖVP und SPÖ am 28. Juni 2017 scheitern.
Studienplatzfinanzierung. Der Nationalrat aber beschließt an diesem historischen Tag eine Steigerung des Universitätsbudgets von plus 1,35 Milliarden Euro für 2019-2021 durch einen von den Grünen (Sigrid Maurer) neuerlich eingebrachten Initiativantrag der SPÖ, mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS (§ 141b UG). Damit geht der gesetzliche Auftrag einher, dem Nationalrat bis 31. Jänner 2018 eine Regierungsvorlage zur Regelung der Studienplatzfinanzierung zuzuleiten. Das BMWFW greift den Ball auf, ein Begutachtungsentwurf wird am 2. August 2017 ausgesandt, mit Stellungnahmefrist bis Mitte September. Trotz eines konsensuellen Treffens vieler Rektorinnen und Rektoren in Alpbach gibt das reichlich Diskussionsstoff – kein Wunder bei einer Verteilungsfrage mit im Detail ungewissem Ausgang.
Im Zeitraffer ins Heute: Es folgen Nationalratswahl und Regierungsverhandlungen, und es folgt die Präsentation der WIFO-Wertschöpfungsstudie der Universitäten Anfang Dezember – die belegt, dass sich ein in die Universitäten investierter Steuer-Euro binnen kürzester Zeit doppelt und dreifach rechnet. Die uniko wählt, nach strategischer Jahresklausur im November, am 11. Dezember an der BOKU Eva Blimlinger zur neuen Präsidentin für 2018 bis 2019; mir ist es eine Freude, als Vizepräsident weiterhin dienen zu dürfen.
Arbeitsprogramm. Das am 16. Dezember veröffentlichte Arbeitsprogramm der Regierung Kurz/Strache enthält mixed blessings. Eine genaue Motivanalyse des Wissenschaftsteils ist, auch aufgrund verschiedenfarbiger Tinten, schwierig. Er beinhaltet aber viele langjährige uniko-Forderungen – neben dem Einstieg in die Studienplatzfinanzierung auch deren periodenweise langfristige Umsetzung – und trägt Züge eines Expertenprogramms. Mit Heinz Faßmann wird ein international erfahrener Vollprofi zum Bundesminister bestellt. Welche Programmpunkte konkretisiert und umgesetzt werden, und ob sie förderliche Rahmenbedingungen für Forschung, Kunst und Innovation und für unsere Studierenden bringen, wird die Zukunft weisen: An ihren Taten sollt ihr sie erkennen.
Besorgniserregend sind einige Personalentscheidungen von frisch angelobten Regierungsmitgliedern. Ein Klubobmann mit Saualm-Reflux-Ideen, ein Kabinettschef mit „Wehrsportübungs“-Vergangenheit, ein „unzensuriert.at“-Pressesprecher des Innenministeriums: Klingt nach Gruselkabinett, und erinnert an Donald Trump und Breitbart News.
Die 21 Universitäten erwarten die regierungsseitige Bestellung der Universitätsräte für deren fünfjährige Funktionsperiode ab 1. März 2018. Ich schreibe dies am 21. Dezember 2017, einem Verfassungs-Jubiläumstag. Heute vor 150 Jahren wurde Artikel 17 des Österreichischen Staatsgrundgesetzes erlassen, und trat tags darauf in Kraft: „Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.“