NEWSLETTER 7/09
20.11.2009
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Rektor Christoph Badelt
Tabus anzusprechen und aufzubrechen – dazu bedarf es hierzulande eines langen Atems, wie das Beispiel „freier Hochschulzugang“ beweist. In meiner Funktion als Präsident der Österreichischen Universitäten-, vormals Rektorenkonferenz brauchte es mehr als viereinhalb Jahre, um die Regierenden zu zwingen, sich mit ihrem nie eingelösten Dogma heimischer Hochschulpolitik auseinanderzusetzen. Die Frage des Zugangs zur Universität, verbunden mit der Forderung nach Studienplatzfinanzierung, seit diesem Herbst in aller Munde, war seit meinem Amtsantritt im April 2005 ein zentrales Thema für die Universitätenkonferenz (uniko), und – diese Prognose sei erlaubt – es wird die uniko auch in der nächsten Periode unter einem neuen Vorsitzenden begleiten.
Knapp fünf Wochen nach Beginn einer „Mahnwache“ an der Akademie der bildenden Künste gegen das Bologna-System ist die akademische Welt in Österreich nicht mehr dieselbe: Das Audimax der Universität Wien wird seit 22. Oktober von Studentinnen und Studenten besetzt, Hörsäle von Innsbruck bis Graz sind von Aktivisten blockiert, auf den Straßen Wiens und der Landeshauptstädte finden im Wochentakt Kundgebungen mit Tausenden von Studierenden statt, Zeitungen liefern „Aufmacher“ mit Uni-Themen am laufenden Band, in den TV-Stationen jagt eine Fernseh-Diskussionsrunde mit Rektoren, Professoren und Studierenden die nächste.
Zwischendurch wurde Wissenschaftsminister Johannes Hahn noch rasch von der Bundesregierung zum Kandidaten für einen EU-Kommissarsposten nominiert, die Grünen riefen den „Uni-Notstand“ aus und erwirkten eine Sondersitzung des Nationalrats, der Ressortchef auf Abruf machte 34 Millionen Euro seiner Notfallsreserve aus dem Uni-Budget locker und verschickte Einladungen zum „Dialog Hochschulpartnerschaft“ am 25. November.
Zu einer schonungslosen Abrechnung der Opposition mit der Bundesregierung im Allgemeinen und Wissenschaftsminister Johannes Hahn (VP) im Besonderen geriet die Sondersitzung des Nationalrats am 12. November, die auf Antrag der Grünen aus Anlass der dramatischen Situation an Österreichs Universitäten abgehalten wurde. Die Klubobfrau der Grünen, Eva Glawischnig, warf zum Eingang der Debatte dem Ressortchef „krasse Realitätsverweigerung“ angesichts der anhaltenden Proteste der Studierenden vor und beschuldigte die ÖVP in Anspielung auf Hahns künftige Karriere als EU-Kommissar, einen „nicht mehr paktfähigen Minister“ in die kommenden Gespräche zu entsenden.
Mit schweren Bedenken gegen eine „Neuordnung der externen Qualitätssicherung im Hochschulbereich“, wie im Konsultationspapier des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung (BMWF) angeregt, meldet sich die Österreichische Universitätenkonferenz (uniko) zu Wort. In ihrer Stellungnahme, basierend auf dem Beschluss des Präsidiums vom 16. November 2009, warnt die uniko ausdrücklich vor sichtbaren Tendenzen zur Überregulierung und „Re-Verstaatlichung autonomer Strukturen“. Das Ansinnen von zusätzlicher laufender Berichterstattung an die neu zu schaffende Österreichische Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung (AAQA) wird strikt abgelehnt.
„Bologna muss mehr sein als eine politische Deklaration“, schickte der Präsident der Österreichischen Universitätenkonferenz (uniko), WU-Rektor Christoph Badelt, Ende Oktober bei der Eröffnung des Bologna-Workshops an der Wirtschaftsuniversität Wien voraus. Bologna werde nur dann mit Leben erfüllt, wenn die beteiligten Personen sich mit dem Prozess identifizieren. Bezug nehmend auf das Thema der Veranstaltung „Qualitätssicherung in den neuen Doktoratsstudien“ wies Badelt vor dem internationalen Auditorium auch auf die besondere kulturelle Symbolik des Doktorats in Österreich hin, die durch die neuen Bezeichnungen für Absolventinnen und Absolventen des dritten Zyklus in der Bologna-Studienarchitektur eine Veränderung erfahren wird: „Sie können dann nicht sagen: Herr oder Frau PhD.“
Bonn - Die Hochschulrektoren haben den streikenden Studenten inhaltliche Unterstützung signalisiert. „Es ist richtig, dass die Studierenden sich zu Wort melden und deutlich machen, dass ihre Studienbedingungen besser werden müssen und mehr für ihre soziale Sicherung getan werden muss", erklärte die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Margret Wintermantel, Mitte November in Bonn. „Die Sympathien sind auf Seite der Protestierenden, solange sie vernünftige Formen des Protests wählen und sachlich argumentieren."
ZITAT DES MONATS
„So viel kann man gar nicht bauen, dass man zum Beispiel die deutschen Studenten, die zu uns kommen, weil's bei ihnen den Numerus clausel (sic!) gibt, dass man für die alle was baut, das geht sich ja gar nicht aus.“
Bundeskanzler Werner Faymann in der ORF-Nachrichtensendung ZiB 1 vom 3. November 2009.
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