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NEWSLETTER 8/16

24.11.2016

KOMMENTAR

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Medizin-Unis zwischen Ärzteschwemme und -mangel

Namhafte Vertreter von Spitalsträgern, wie zum Beispiel die Gesundheitslandesräte aus Tirol und dem Burgenland, fordern derzeit aufgrund eines angeblichen „Ärztemangels“ eine Aufstockung der Zahl an Studienplätzen für Medizin sowie eine Erhöhung der Zahl der sieben bereits bestehenden Ausbildungsstandorte für Medizin. Der Vorarlberger Ärztekammerpräsident identifiziert im Aufnahmeverfahren für Medizin das Problem, weil zit. „ … der Test nur hochintelligente, kritische Zeitgeister herausfiltert, die nichts von der Peripherie wissen wollen". Sind diese öffentlich geäußerten Positionen durch Fakten unterlegt und nachvollziehbar?

Glaubt man der veröffentlichten Meinung, so war die Ärztedichte in Österreich  in den letzten 70 Jahren nie normal: Das Pendel schwang nach 1945, vor allem aufgrund der Vertreibung jüdischer Ärzte (an der Medizinischen Fakultät Wien 70 Prozent des Kollegiums) von „Mangel“, zu „Schwemme“ in den 1980er Jahren (damals ca. 20.000 Ärzte) und nun also angeblich wiederum zu „Mangel“ (derzeit ca. 45.000 Ärzte). Vor Einführung eines Aufnahmeverfahrens 2005 studierten in Wien mit bis zu 16.000 Studentinnen und Studenten etwa 30mal so viele Personen Medizin als an der Harvard Medical School. Die Absolventenquote rangierte allerdings nur bei ca. 50 Prozent. Österreich hatte eine zwei- bis dreimal so hohe Ärzte- und Absolventendichte wie vergleichbare Länder. Noch 2005 wurde in österreichischen Medien daher von einer Ärzteschwemme gesprochen, die Ärztekammer betrieb eine mediale Kampagne gegen das Medizinstudium und vom Bundesinstitut für Gesundheit (ÖBIG) wurden 20.000 arbeitslose Mediziner im Jahr 2010 vorhergesagt.

Mäßige Standortqualität. Der jahrzehntelange Überschuss an schlecht bezahltem und ineffizient eingesetztem ärztlichen Personal hatte einen problematischen Effekt: Einrichtungen der Gesundheitsversorgung wurden nicht nur aus medizinischer Notwendigkeit sondern aus Gründen lokaler Arbeitsmarktpolitik errichtet. Die derzeitige Struktur der österreichischen Gesundheitsversorgung benötigt daher aufgrund eines mittlerweile bestehenden Pflegekräftemangels und eines Mangels an Administrativkräften eine international unüblich hohe Zahl an minderqualifiziert eingesetzten Ärzten. Die mäßige Standortqualität wird dadurch unterstrichen, dass Österreich derzeit nur etwa vier Prozent im Ausland ausgebildete Ärzte beschäftigt, der OECD Schnitt liegt bei 17 Prozent. Dieser Trend müsste durch umfangreiche Qualitätsmaßnahmen der Gesundheitsstrukturen umgedreht werden.  

Die historisch gewachsene Situation wurde nun durch zwei EU-Gesetze (1) Arbeitszeitrichtlinie / Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz (KAAZG) und (2) Moratorium zu Quote für österreichische Studienplatzvergabe drastisch verschärft. Österreich bildet noch immer deutlich mehr Medizinabsolventen aus als z.B. Schweden oder die Niederlande. Mehr als 30 Prozent eines Medizinerjahrgangs möchte jedoch derzeit aufgrund der unattraktiven Arbeitsbedingungen nach Studienabschluss nicht in Österreich arbeiten. Absolventinnen und Absolventen eines erstklassigen Gratis-Medizinstudiums, das den Steuerzahler 60.000 Euro pro Jahr kostet, haben sich daher in den letzten Jahren zu einem österreichischen „Exportschlager“ entwickelt. Ursache lokaler Versorgungsprobleme ist daher jedenfalls nicht eine zu geringe Absolventeninnen- und Absolventenzahl.

Unkoordinierte Standortgründung. Die Aufforderung an bestehende Universitäten, noch mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, ist daher angesichts der ohnehin hohen Zahlen von Absolventinnen und Absolventen ein nicht zielführender Zugang zum Thema und würde die Situation weiter verschärfen. Die von einigen Bundesländern (vor allem in ihrer Funktion als Spitalsträger) betriebene unkoordinierte Gründung teilprivater, forschungsfreier Ausbildungsstandorte für Medizin außerhalb der etablierten Universitätsstandorte würde zu einer weiteren Schwächung des medizinischen und akademischen Standortes führen. Auf die Spitze getrieben wurde in diesem Zusammenhang  die Diskussion vom Vorsitzenden der Privatuniversitäten-Konferenz, der forderte, dass die öffentlichen Medizin-Unis vorwiegend Studenten „aus benachteiligten Schichten“ ausbilden sollten.

Entscheidend wäre, das österreichische Versorgungssystem zukunftsfit und für junge Mediziner attraktiv zu gestalten. Kurzfristig wäre ein Stipendiensystem mit Bleibeverpflichtung eine mögliche Strategie.

INLAND

Als „neue Form der Konkordanz“ präsentierten am Abend des 7. November der Präsident des Wissenschaftsfonds FWF, Klement Tockner, und der Präsident der Universitätenkonferenz (uniko), Oliver Vitouch, einen ersten Entwurf eines „Exzellenzprogramms für die heimische Wissenschaft“ im Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten in Wien. Für Österreichs Universitäten bedeute eine derartige Initiative, dass in einem neuen Programm gute Voraussetzungen für die Berufungen „hervorragender Köpfe“, sogenannte „Zukunftsprofessuren“, sowie neue Forschungsstärkefelder geschaffen werden könnten, erklärte Vitouch. FWF-Präsident Tockner hob die Bedeutung der Qualitätsentwicklung und -sicherung bei der Auswahl von Projekten und Personen hervor sowie die Pläne zur Schaffung einer „Wissenschaftsallianz“, der unter anderen uniko und FWF angehören sollen.

INTERNATIONALES

„Welche Ressourcen brauchen Universitäten?“ – Der amtierende Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner und sein Vorgänger Karlheinz Töchterle kamen bei der Veranstaltung des Österreichischen Verbands der Universitätsprofessorinnen und -professoren (UPV) an der Universität Wien am 4. November zu ähnlichen Erkenntnissen bei der Erörterung des Tagungsthemas. Während Mitterlehner behutsam formulierend einräumte, dass Geldmangel und ungeregelter Hochschulzugang zu „Knappheitsproblemen“ führten, konnte es sich der von der Bürde des Ministeramts befreite ÖVP-Abgeordnete und Wissenschaftssprecher Töchterle in der Podiumsdiskussion leisten, Klartext zu sprechen: „Wir scheitern ständig und treten auf der Stelle.“  

Mit einer kritisch abwägenden Stellungnahme würdigt die Universitätenkonferenz (uniko) die Inhalte der Hochschulmobilitätsstrategie des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW): Diese „stellt einen brauchbaren Beginn eines Prozesses dar, an dessen Ende eine wirkliche Strategie stehen könnte, die differenzierter, hinsichtlich der Maßnahmen fokussierter und damit auch zielführender sein kann“, heißt es im Resümee vom 10. November, gezeichnet von uniko-Präsident Oliver Vitouch.

EUROPÄISCHER HOCHSCHULRAUM

Für die EU-Kommission ist das Thema Hochschulfinanzierung einer der Knackpunkte im Bildungsmonitoring 2016. Im Entwicklungsplan für die Hochschulen habe sich Österreich zwar eine Verbesserung der Lehre zum Ziel gesetzt, „aber die Bedarfsplanung und die Finanzierung stimmen nicht genau überein",  erklärte Michael Teutsch von der Generaldirektion Bildung und Kultur der EU-Kommission bei der Präsentation des „Monitors für die allgemeine und berufliche Bildung 2016" am 23. November in Wien. Im Bericht werden als Fehlbetrag 500 Millionen Euro angeführt – das ist jene Summe, die die Österreichische Universitätenkonferenz (uniko) für die kommende Leistungsvereinbarungsperiode (2019 - 2021) pro Jahr zusätzlich einfordert.

KURZMELDUNG

Die Regierung hat am 8. November ein mehrjähriges Forschungs-Förderungspaket beschlossen. Insgesamt sollen laut Infrastrukturminister Jörg Leichtfried (SPÖ) bis 2021 700 Millionen Euro fließen, zusätzlich noch 500 Millionen Euro privates Geld. „Diese Bundesregierung hat eine Forschungsmilliarde auf den Weg gebracht", zeigte sich Leichtfried in einer Pressekonferenz nach dem Ministerrat zufrieden. Harald Mahrer, Staatssekretär im Wissenschaftsministerium, (ÖVP) räumte zwar ein, dass der Großteil der Mittel erst mit dem nächsten Finanzrahmen für die Jahre 2018 bis 2021 fixiert werden muss (für 2017 sind nur 16,4 der 700 Mio. Euro vorgesehen). Es gebe aber das gemeinsame Commitment der Regierung, das Paket so umzusetzen.

ZITAT DES MONATS

„Ich hatte vor 16 Jahren keinen Einfluss auf die positive Beurteilung meiner Arbeit und nun keinen Einfluss auf die nachträglichen Gutachten. Eines ist aber klar: Ich habe nicht studiert, um Politiker zu werden. Mein damaliges Studium hat mit meinem heutigen Beruf nichts zu tun.“

Der steirische Landesrat für Wirtschaft, Tourismus, Europa und Kultur, Dr. Christian Buchmann (ÖVP), in der KLEINEN ZEITUNG zu den Vorwürfen, er habe Teile seiner Dissertation abgeschrieben.

 

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