Kommentar
Plädoyer für mehr Chancengerechtigkeit
Impulse für bessere soziale Durchmischung an Universitäten
Der Zugang zu Hochschulbildung ist innerhalb der EU trotz Ausbau der Angebote immer noch stark von sozialer Herkunft geprägt – auch in Österreich. Trotz Bildungsexpansion ist die Wahrscheinlichkeit für Kinder aus bildungsnahen Familien zu studieren nach wie vor mehr als doppelt so hoch wie für Kinder, deren Eltern über keine Matura verfügen. Für Politik und Hochschulen zählt eine bessere soziale Durchmischung daher zu den großen Zielen. Denn warum sollte auf talentierte und leistungswillige Studierende mit hohem Potenzial verzichtet werden? Mancherorts herrscht die Meinung, dass aufgrund des freien Hochschulzugangs ohnehin gleiche Chancen für alle bestehen. Doch trotz „Gratisstudium“ und Stipendiensystem, ein wichtiger Bestandteil des Bildungssystems, herrscht keine sozial repräsentative Zusammensetzung der Studierenden.
Studieren ist nicht ausschließlich eine Frage des finanziellen Kapitals. Vielmehr verlangt ein Universitätsstudium vor allem Selbstorganisation und die Fähigkeit, sich auf universitärem Boden zurechtzufinden. Jungen Menschen aus weniger bildungsaffinen Milieus mangelt es nicht per se an Talenten oder Leistungsfähigkeit. Vielmehr fehlt es oft am kulturellen Kapital, also am Wissen, wie Universitäten funktionieren, was dort erwartet wird – und oft fehlt einfach nur die Ermutigung, ein universitäres Studium in Betracht zu ziehen oder bei den ersten Problemen nicht gleich aufzugeben. Derartige Unterstützungen erhalten junge Menschen auf selbstverständliche Weise über ihr Elternhaus. Es macht daher einen großen Unterschied, ob solches Wissen in den Familien vorhanden ist.
Informationskapital. First academics verfügen oftmals über kein entsprechendes Netzwerk aus Verwandten, Freundinnen und Freunden, können dadurch auf weniger „Informationskapital“ zurückgreifen und finden sich somit an der Universität schwerer zurecht. Aber begabte Studierende befinden sich in allen gesellschaftlichen Schichten, gehören aufgespürt und gefördert. Dazu braucht es umfassende Programme, die eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Schulen und Universitäten miteinbeziehen.
An der WU findet in diesem Bereich nicht nur relevante Forschung statt, diverse Unterstützungsangebote für so genannte nicht-traditionelle Studierende werden bereits umgesetzt, um die soziale Durchmischung zu erhöhen. Im Rahmen des Projekts „WU@School“ besuchen WU-Botschafterinnen und Botschafter NMS-, AHS- und BHS-Schulen, um ihnen das Studienangebot vorzustellen. Schulen kommen auch regelmäßig auf den Campus, um sich vor Ort zu informieren und nutzen die Möglichkeit, Pre-Study-Workshops zu buchen. Einer dient z.B. der Vermittlung der Unterschiede von Schule/Universität und Fachhochschule/Universität.
Stipendienprogramm. Seit vergangenem Jahr gibt es auch das Stipendienprogramm „WU4You“, das begabten Schülerinnen und Schülern aus einkommensschwachen Familien ein Studium ermöglicht und diese fördert. Die Stipendienbezieherinnen und -bezieher nehmen am Mentoring@WU-Programm teil (höhersemestrige Studierende begleiten Studienanfängerinnen und -anfänger), werden aber auch individuell betreut und gecoacht.
Ein eigenständiges Projekt unterstützt Schülerinnen und Schüler bei der Orientierung und Bewältigung des herausfordernden Bildungsübergangs. In Zusammenarbeit mit ausgewählten Pilot-BHS-Schulstandorten in Wien werden Unterstützungsworkshops und -module erarbeitet. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt auf der Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf das universitäre Umfeld, auf das Anforderungsprofil, auf benötigte akademische Skills, sprachliche Fähigkeiten und Selbstorganisation. Auch hier stehen Jugendliche, die aufgrund ihrer sozialen Herkunft oftmals den Schritt in die dritte Ausbildungsstufe trotz eines hohen Leistungspotentials nicht wagen, im Fokus.
Ganzheitliche Sicht. Das Thema soziale Repräsentation an den Universitäten ist jedenfalls sehr vielschichtig und muss ganzheitlich gesehen werden. Universitäten können daher nur im Rahmen ihrer Möglichkeiten Anstrengungen unternehmen. Die wirksamsten Maßnahmen für bessere soziale Durchmischung müssen natürlich bereits in der Schule gesetzt werden.
Vizepräsidentin Edeltraud HANAPPI-EGGER
Rektorin Wirtschaftsuniversität Wien