KOMMENTAR
Die Liebe in den Zeiten der Coronaviren
Oder die Sehnsucht nach dem „Normalbetrieb“ an den Universitäten
Es ist ein sonderbares Jahr, dieses 2020. Elisabeth Fiorioli, Generalsekretärin der uniko, bringt es im jüngsten Jahresbericht auf den Punkt: „Es ist, als wären wir wie in einem schlechten Science-Fiction-Plot auf einem anderen Planeten namens COVID-19 aufgewacht.“ Freilich, der harte lockdown ist fürs Erste überstanden, und das Ende des Astronautenlebens – sozialer Kontakt vornehmlich via Bildschirm, Nahrung aus der Tube, „floating in a most peculiar way“ – tut überaus wohl.
Es bleibt aber unklar, wie es im Wintersemester weitergehen wird. Impfstoff kann noch keiner verfügbar sein, grippale Symptome werden saisonal verbreitet sein, und Präsenzlehre mit Abstandsregeln stößt rasch an die Grenzen der Raumkapazität. Ein normaler Hochschulbetrieb wird für Studierende und Lehrende also auch im Herbst nicht möglich sein. Dabei ist eine Universitätsleitung mit dem gesamten Meinungsspektrum konfrontiert: Von den Corona-Libertären, die jede Vorsichtsmaßnahme für übertrieben, undemokratisch und freiheitsberaubend halten (Team Đoković, quasi) bis zu den Hochängstlichen, die dem Campus am liebsten auf unbestimmte Zeit fernbleiben würden. Scylla und Charybdis.
Dosierte Krise. Wie auch immer ein Rektorat also navigiert, es kann nur falsch sein. Im Nachhinein ist man immer klüger, und sei es in Form des Präventions-Paradoxons. Der Ausgabe von hazmat suits (Schutzanzüge gegen gefährliche Stoffe) werden wir jedenfalls nicht nähertreten. Wenn andererseits der Ruf nach Normalität überlaut wird, muss man mit Matthias Karmasin daran erinnern, dass just die notgedrungene Devianz das Wesen der Krise ausmacht: Wäre alles normal und gäbe es keine Einschränkungen, dann wäre es keine Krise. Und die Krise wird uns, in schwankender Dosis, noch einige Zeit lang begleiten.
Manche Krisen sind allerdings hausgemacht. Zum Beispiel dann, wenn die Fachhochschulkonferenz (FHK) zum 25-Jahr-Jubiläum der Fachhochschulen in Österreich ein lachsrosa Büchlein auflegt, in dem sie sich nicht entblödet, FHs als die besseren Universitäten darzustellen. „Der Unwille zur Veränderung hat den Weg für die Fachhochschulen freigemacht“, ist da zu lesen, und „Der neue Hochschulsektor war so gesehen auch ein Denkzettel für die Universitäten“. Nun, da weiß ich einen simplen reality check: Wir überlassen die Entwicklung eines COVID-Impfstoffs einfach den FHs. Die haben das drauf mit der Anwendung. Wenn sie möchten, können sie noch die Homöopathen hinzunehmen. Das Popcorn gibt’s dann an den Unis gratis.
Ich grüße Sie einstweilen herzlich: Bleiben Sie neugierig, bleiben Sie aufgeklärt, bleiben Sie an Bord und bleiben Sie gesund.