KOMMENTAR
Alles wird teurer
Lange Zeit war sie kein Thema: Die Inflation. Wir hatten uns daran gewöhnt, dass die Teuerungsraten verschwindend waren; sie betrugen ein oder zwei Prozent pro Jahr. Inflation als überwundenes Leiden einer miserablen Vergangenheit schien zu einer Art ökonomischem Naturgesetz geworden zu sein.
Nun ist sie wieder da – mit Werten wie in den 1970er Jahren. Das stellt insbesondere die Arbeitnehmer*innen vor gravierende Probleme: Die nächsten Tarifverhandlungen sind noch Monate entfernt, die Teuerungseffekte sind aber bereits hier und jetzt manifest. Deshalb schnürt die Bundesregierung nun flugs Entlastungspakete. Leider stellt die Inflationsentwicklung die 22 öffentlichen Universitäten in Österreich vor nicht minder heftige Probleme, aus einem ganz simplen Grund. Der Grund heißt „Drei-Jahres-Budget“.
Die Universitäten erhalten ihre Bundesfinanzierung seit dem Universitätsgesetz 2002 (UG) für jeweils drei Kalenderjahre. In Zeiten mit Minimalteuerung ist das ein großer Vorteil: Anstelle jährlicher Hektik gibt es Budget- und Planungssicherheit für volle drei Jahre. In Zeiten galoppierender Teuerung verkehrt sich dieser Vorteil hingegen in einen toxischen Nachteil. Das Gesamtbudget 2022–2024 für die 22 Universitäten wurde, wie das Gesetz es befahl, gemäß § 12 Abs. 2 UG bereits im Oktober 2020 zwischen Finanzminister und Wissenschaftsminister festgelegt. Damals ging man kalkulatorisch von Teuerungsraten von 2 bis 2,25 Prozent aus. Die Inflation begann dann Anfang 2022 gehörig anzuziehen: Ein im Herbst 2020 unvorhergesehenes Ereignis. Konkret bedeutet es aktuellen Prognosen zufolge, dass den Unis, deren Kosten typischerweise zu 70 Prozent und mehr im Personalbereich liegen (gefolgt von Mieten und Energiekosten), in der laufenden Leistungsperiode 2022–2024 ein Betrag von insgesamt 475 Millionen Euro auf ein ausgeglichenes Budget fehlt.
Die gemäß § 12 Abs. 10 UG zu bildende „Ministerreserve“ des Wissenschaftsressorts enthält rund 120 Millionen Euro – und auch davon sind große Teile bereits verplant. Es bedarf daher einer Lösung durch den Finanzminister, in Form eines Budgetnachtrags. Alternative ist ein radikaler Personalabbau an den Universitäten: durch mehrjährigen Aufnahmestopp und budgetär bedingte Kündigungen. Nach einer planvollen Expansionsphase 2019–2021 mit dem Einstieg in die Studienplatzfinanzierung und einem COVID-bedingten Konsolidierungsbudget 2022–2024 wäre das ein Tiefschlag mit Langzeitwirkung – weil eben dieses Konsolidierungsbudget inflationsbedingt auch noch massiv devalorisiert wird. „A Schritt vire, zwa Schritt zruck“, so hätte der selige Dr. Kurt Ostbahn es besungen. Für die Implementierung der Universitätsfinanzierung-neu hatte der Bund anno 2017/18 ursprünglich real expansive Budgets über drei Leistungsperioden, also über neun Jahre, vorgesehen.
Privatuniversitäten steigern in einer solchen Lage die Studiengebühren, Unternehmen erhöhen die Preise ihrer Produkte und Dienstleistungen. Österreichs öffentlichen Universitäten sind diese Wege wohlweislich versperrt: Über die Parkplatzgebühren werden wir den Fehlbetrag nicht hereinspielen können, und Drittmittelprojekte sind in aller Regel budgetäre „Durchläufer“ zur Anstellung zusätzlicher Forscher*innen. Den Universitäten geht es gegenwärtig wie einem (fiktiven) Handwerker, der im Oktober 2020 diverse Anbote gelegt und abschließend jeweils festgehalten hätte: „An dieses Angebot halten wir uns bis Dezember 2024 gebunden.“ Gäbe es einen solchen Handwerker, sein Betrieb hätte nicht lange Bestand.
Dass der Finanzminister, dem Teuerungseffekte hohe nominelle Mehreinnahmen bescheren, derlei Gesetzmäßigkeiten nachvollziehen kann, versteht sich von selbst. Zugleich ist davon auszugehen, dass er am Fortbestand der öffentlichen Universitäten interessiert ist – nicht nur an der Gründung neuer. Im Herbst wird es sich weisen.
Oliver Vitouch
Rektor der Universität Klagenfurt und uniko-Vizepräsident
[Dieser Text wurde in leicht abgewandelter Form als Kommentar der Anderen auf DerStandard.at veröffentlicht.]
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