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Newsletter 2/2023

29.03.2023

KOMMENTAR

Gibt es wirklich zu viele Befristungen an den Universitäten?

Gerade wieder wird beklagt, dass an den Universitäten 80 Prozent der Wissenschafterinnen und Wissenschafter nur befristet arbeiten können. Ein differenzierter Blick auf die Zahlen zeigt ein völlig anderes Bild, wie Vizerektor Michael Lang, Vorsitzender des uniko Forums Personal und des Dachverbands der Universitäten, zeigt.

Befristet angestellt sind in aller Regel Dissertantinnen und Dissertanten: Viele von ihnen bekommen für die Dauer ihres Doktoratsstudiums einen Arbeitsvertrag. Haben sie diese wissenschaftliche Ausbildung abgeschlossen, bewerben sie sich für eine andere Position innerhalb oder außerhalb der Universitäten. Ähnliches gilt für Ärztinnen und Ärzte in Ausbildung.

In einem befristeten Arbeitsverhältnis befinden sich oft auch über externe Projektgelder finanzierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Dauer des Arbeitsvertrages ist in diesen Fällen davon abhängig, wie lange die finanziellen Mittel reichen. Klammert man diese Personengruppen sowie die studentischen Mitarbeitenden aus, sinkt der Prozentsatz befristeter Beschäftigter unter den hauptberuflich tätigen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern ab dem Postdoc-Level auf rund 40 Prozent.

Das heißt im Umkehrschluss: 60 Prozent dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Universitäten sind unbefristet beschäftigt oder haben Laufbahnstellen inne, die bei Erreichen der vereinbarten Qualifizierungsziele zur Entfristung führen. Wenn man noch Ersatzkräfte für jene in Mutterschutz oder Karenz aus der Berechnung herausnimmt, ist der Anteil der Wissenschafterinnen und Wissenschafter mit unbefristeten Arbeitsverträgen noch höher.

Nachhaltige Personalpolitik

Eine zukunftsorientierte Personalstrategie strebt ein ausgewogenes Verhältnis von Laufbahnstellen und befristeten Stellen an: Neben den Professuren sind die Tenure-Track-Stellen zu einer wichtigen Säule der Personalpolitik geworden. Der wissenschaftliche Nachwuchs braucht Karriereperspektiven. Die Sicherung und Weitergabe von Wissen und Erfahrung sind an einer Universität unverzichtbar. Genauso bedarf es aber auch befristeter Stellen: Die Universitäten müssen sicherstellen, dass nicht alle in einem Fach verfügbaren Stellen von Personen in ähnlichem Alter besetzt werden. Der Zugang zum Wissenschaftsbetrieb muss auch in den nächsten Jahrzehnten offenstehen: Eine nachhaltige Personalpolitik hat der Generationengerechtigkeit verpflichtet zu sein.

Die gelegentlich geforderte "Kündigungskultur" ist keine Alternative, um Erneuerung im Wissenschaftssystem sicherzustellen. Es geht nicht darum, vermeintliche "Minderleisterinnen" oder "Minderleister" loszuwerden. Denn die Auswahlverfahren für universitäre Positionen sind äußerst kompetitiv. Wer sich durchsetzt, ist hochqualifiziert. Dies gilt für befristet ausgeschriebene Stellen genauso wie für Laufbahnstellen.

Wer die vereinbarten Qualifizierungsziele doch nicht erfüllt, scheidet auch aus einer Laufbahnstelle aus. Umgekehrt muss der Arbeitsvertrag von befristet beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Ende der Laufzeit leider auch bei exzellenter Leistung enden. Sonst können die Universitäten nicht ihrem Anspruch gerecht werden, jeder Generation den Zugang zum Wissenschaftsbetrieb zu ermöglichen.

Fair und transparent
Aus Fairnessgründen müssen die Erwartungen für alle Beteiligten klar sein: Auf einer Laufbahnstelle hängen die weiteren Karriereschritte von eindeutig definierten Qualifizierungszielen ab. Wer sich hingegen für eine befristete Stelle bewirbt, darf auch bei bester Performance nicht damit rechnen, dass der Arbeitsvertrag am Ende doch entfristet wird. Die Dauer der Befristung sollte so bemessen sein, dass der Erwerb einer wissenschaftlichen Qualifikation wie Ph.D. oder Habilitation möglich ist. Ziel ist die erfolgreiche Fortsetzung der Karriere außerhalb der eigenen Universität. Personalentwicklungs- und Placementmaßnahmen unterstützen immer öfter dabei. Die Universität, an der das erste Arbeitsverhältnis bestand, hat ein eminentes Interesse am Erfolg der bei ihr ausgebildeten Forscherinnen und Forscher: Deren hohe Qualität wirkt reputationserhöhend, und oft führen die geknüpften Kontakte zu wichtigen internationalen Forschungskooperationen.

Das universitäre Arbeitsrecht schafft die Rahmenbedingungen, um eine faire, transparente und nachhaltige Personalstrategie zu verwirklichen: Dissertantinnen und Dissertanten können in der Regel vier- bis sechsjährige Arbeitsverträge angeboten werden. Auf Postdoc-Ebene werden neben der Berufung von Professorinnen und Professoren Laufbahnstellen unter klar vereinbarten Qualifizierungszielen besetzt. Darüber hinaus können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit abgeschlossenem Doktoratsstudium für sechs bis acht Jahre beschäftigt werden, um sich wissenschaftlich weiterzuqualifizieren.

Keine "Befristungskette"
Früher ist oft beklagt worden, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wieder befristet beschäftigt werden und dass durch ein Aussetzen der Beschäftigung über mehrere Monate oder ein Jahr die "Befristungskette" jeweils neu zu laufen beginnt. Wissenschafterinnen und Wissenschafter wären auf diese Weise mitunter jahrzehntelang in befristeten Arbeitsverhältnissen geblieben. Solchen vermeintlichen oder tatsächlichen Missständen wurde allerdings schon 2021 mit der Änderung des Paragrafen 109 im Universitätsgesetz ein Riegel vorgeschoben: Für die Berechnung der maximal zulässigen Befristungsdauer sind auch unterbrochene Arbeitsverhältnisse zusammenzurechnen.

Das neue universitäre Arbeitsrecht zwingt zu klaren Verhältnissen und frühen Entscheidungen: Jeder und jede weiß, ob er oder sie eine befristete oder eine dauerhafte Perspektive an der Universität hat. Schon bisher war der Anteil von Laufbahnstellen und unbefristeten Arbeitsverträgen an den aus Globalmitteln finanzierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit abgeschlossenem Doktoratsstudium sehr hoch. Die Universitäten haben somit keineswegs nur befristete Arbeitsverträge angeboten. Sie werden auch in Zukunft die Möglichkeiten, die das Arbeitsrecht für eine nachhaltige Personalpolitik bietet, verantwortungsvoll nutzen.

Michael Lang ist Vorsitzender des Dachverbands der Universitäten sowie des Forums Personal der Universitätenkonferenz und Vizerektor der WU Wien. Der vorleigende Text wurde am 23.3.2023 als Kommentar der Anderen im STANDARD veröffentlicht.

#wissenschaftvertrauen

Die uniko zeigt sich angesichts der jüngsten innenpolitischen Entwicklungen – von der "Rede zur Zukunft der Nation" von Kanzler Nehammer bis hin zum Arbeitsübereinkommen zwischen ÖVP und FPÖ in Niederösterreich – äußerst besorgt über die Ignoranz wissenschaftlicher Evidenz bzw. die mangelnde Wertschätzung gegenüber Forscherinnen und Forschern. Diese stünden in krassem Gegensatz zu den Bestrebungen, das Vertrauen in Wissenschaft und Demokratie zu stärken, betont uniko-Präsidentin Sabine Seidler in einer Pressemeldung vom 23.3.2023.

Positionen der uniko zum Diskurs über Vertrauen in Wissenschaft und Demokratie

In einem Positionspapier setzt sich die uniko für eine kritische und differenzierte Betrachtung der Themen „Wissenschaftsskepsis“ und Vertrauen in die Wissenschaft und Demokratie ein. Genauso wenig wie es „die Wissenschaft“ im Singular gibt, die mit einer Stimme spricht und nur eine Perspektive vertritt, ist Skepsis per se etwas Schlechtes, sondern Ausgangspunkt zahlreicher neuer Erkenntnisse und Entdeckungen.

Viel wichtiger erscheint hier der Faktor Vertrauen. Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass in der Forschung, Lehre und Wissenschaftsvermittlung hohe wissenschaftliche wie ethische Standards eingehalten werden, mit öffentlichen Mitteln verantwortungsvoll umgegangen wird und nötige Kontrollmechanismen vorhanden sind. Das ist die Grundvoraussetzung, damit Vertrauen entstehen und sich ein Dialog zwischen Gesellschaft und Wissenschaft auf Augenhöhe entwickeln kann. Um diesen Austausch zu fördern, spricht sich die uniko auch für eine Aufwertung und Förderung des Wissenschaftsjournalismus sowie eine institutionalisierte, breit aufgestellte wissenschaftsbasierte Politikberatung vom Parlament bis zum Beamtenapparat aus.

Positionen der uniko zum Diskurs über Vertrauen in Wissenschaft und Demokratie

ZITAT DES MONATS

"Investitionen in die Köpfe, in die (Aus-)Bildung und in die Wissenschaft sind der Garant für eine erfolgreiche Entwicklung in der Zukunft. Jeder investierte Euro in diesen Bereichen zahlt sich vielfach aus"

Veronika Sexl, seit 1. März Rektorin der Universität Innsbruck, in der Südtiroler Tageszeitung DOLOMITEN vom 24.3.2023.

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