Newsletter 1/24
31.01.2024
Wir leben in interessanten Zeiten. Es fängt also gleich chinesisch an, wiewohl das Chinesische Neujahr – das Jahr des Drachen – erst mit 10. Februar anhebt. Meine letzte Neujahrsempfangsrede hielt ich im Jänner 2017. Seither ist vieles geschehen und gelungen im österreichischen Wissenschaftssystem. Mit der Universitätsfinanzierung-neu, implementiert 2019, haben wir einen deutlich verbesserten Finanzierungspfad betreten. Der war ursprünglich für drei Leistungsperioden, also 3 x 3 Jahre, sukzessive expansiver Budgets konzipiert und paktiert, in Richtung des legendären 2 %-BIP-Ziels. Leider ist es ein steiniger Pfad – die Leobener und Grazerinnen kennen das aus dem Tunnelbau, wenn man plötzlich planungsfremd auf härtere Gesteinsschichten trifft: Die staatshaushaltlichen Effekte der Pandemie, gefolgt von Russlands Invasion der Ukraine mit Energie- und Teuerungskrise, haben uns ab 2022 auch budgetär herbe Jahre beschert. Nun, mit der am 18. Oktober 2023 verkündeten Einigung von Finanzminister und Wissenschaftsminister auf ein Universitätsbudget von 16 Milliarden Euro für die Jahre 2025–2027, ist klar, dass der vorgezeichnete Pfad wieder aufgenommen werden kann und die Universitäten für die kommenden Jahre, wenn sich die Inflation halbwegs einkriegt, über eine gute und aufgabenadäquate Ausstattung verfügen. Wir wissen auf Basis der vergleichenden WIFO-Studie vom Juni 2023 recht präzise, wieviel uns in der Finanzierung auf jene europäischen Länder, mit denen wir uns in den Rankings und punkto Innovationsführerschaft vergleichen wollen, noch fehlt.
Sie kamen aus dem Wissenschaftsbetrieb, Forschungsinstitutionen, der Sozialpartnerschaft, aus Ministerien, dem Parlament und den Medien: 190 illustre Gäste durfte die uniko am 23. Jänner auf ihrem Neujahrsempfang begrüßen.
Erstmals gaben sich gleich zwei Minister beim uniko-Neujahrsempfang im Erste Bank-Forum die Ehre. Bildungsminister Martin Polaschek und Arbeitsminister Martin Kocher richteten ebenso Grußworte an das Publikum wie, seitens des Sponsors, Erste Bank CFO Stefan Dörfler.
Höhepunkt des Abends war die programmatische Rede des neu gewählten uniko-Präsidenten Oliver Vitouch. In Hinblick auf das Superwahljahr 2024 hob Vitouch die besondere Rolle der Universitäten als fünfte Säule der Demokratie hervor.
Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher bezeichnete die Universitäten als "Schlüsselplayer im Bereich hochqualifizierter Fachkräfteausbildung", was in Zeiten des Fachkräftemangels umso mehr an Bedeutung gewinne. "Für unseren Wohlstand sind auch die hochwertigen tertiären Ausbildungsmöglichkeiten in Österreich verantwortlich", sagte Kocher.
Wissenschaftsminister Polaschek widmete sich in seiner Ansprache dem Begriff des wissenschaftlichen Erbguts in einem neuen Sinn.
Die TU Graz als älteste Technische Universität Österreichs ist 212 Jahre alt. Sie hat eine beeindruckende Geschichte, die auf wissenschaftlicher Exzellenz, Innovation und Engagement in Forschung und Lehre basiert. Nun wollen wir die TU Graz auf das nächste Level heben. Was wollen wir erreichen? Wohin soll sich die TU Graz entwickeln?
Die TU Graz ist ein Zentrum für technisches Wissen und gesellschaftliche Verantwortung. Wir befähigen unsere Studierenden, die brennenden Fragen unserer Zeit zu lösen. Die TU Graz hat großen Einfluss auf die Gesellschaft und die Wirtschaft in Österreich. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass die TU Graz gemeinsam mit den beiden anderen Technischen Universitäten der TU Austria eine „kritische Infrastruktur“ in diesem Land darstellt. Wir bilden die Diplomingenieur*innen dieses Landes aus. Was ist der Impact der TU Austria? Eine Studie des IV-Chefökonomen Christian Helmenstein vom Economica Institut für Wirtschaftsforschung bescheinigt der TU Austria einen gesamten heimischen Wertschöpfungseffekt von 814 Millionen Euro im Jahr 2020. Die Studie führt jeden 300. Arbeitsplatz in Österreich auf die Aktivitäten der drei technischen Universitäten zurück. Diese Wertschöpfung ist höher als jene des Flugverkehrs oder aller Tankstellen in Österreich! Der Wertschöpfungsmultiplikator der TU Austria liegt bei 1,65 und damit deutlich über dem anderer Bildungseinrichtungen (1,21). Ein Euro Investition löst 1,65 Euro Wertschöpfung aus. Ein gutes Geschäft. Aber das sind jetzt nur die kurzfristigen Aspekte.
#DISKUSSION
"Viele Personen, die wissenschaftsskeptisch sind, können im Dialog erreicht werden"
IHS-Experte Johannes Starkbaum diskutierte in der uniko über die Frage, wie ausgeprägt Wissenschafts- und Demokratieskepsis in Österreich tatsächlich sind und was man dagegen tun kann
Wissenschafts- und Demokratieskepsis - haben wir ein Problem? So lautet der Titel einer IHS-Studie der beiden Autoren Johannes Starkbaum und thomas König. Starkbaum war am 30. November in den Räumlichkeiten der uniko, um mit Interessierten über die Ergebnisse der Studie zu referieren und diskutieren.Eine der Kernaussagen der Studie nach Auswertung von Sekundärdaten lautet, dass Österreich unter den EU-27 nicht zu den besonders wissenschaftsskeptischen Ländern zähle. Die Datenanalyse zeige, das Teile der österreichischen Bevölkerung gegenüber wissenschaft "desinteressiert, kritisch oder auch skeptisch eingestellt" sei. Aber, so Starkbaum, "nicht jede Kritik an Wissenschaft kann mit Skepsis gleichgesetzt werden".
Grundlegende politische Einstellungen, Populismusaffinität und Demokratieverständnis hängen laut dem Studienautor mit Wissenschaftsvertrauen und Demokratiezufriedenheit zusammen. Wer Parteien als das Hauptproblem des Landes identifiziert, direkte Volksentscheide der repräsentativen Demokratie vorzieht und eine starke Führungspersönlichkeit an der Spitze installiert sehen möchten, die nicht durch Parlament und Wahlen beschränkt wird und politische Entscheidungen allein trifft, vertraut Wissenschaft weniger und ist mit der Demokratie unzufriedener. Starkbaum: "Der Zusammenhang von negativen Äußerungen zu Wissenschaft und Demokratie spricht dafür, dass diese Bereiche von der Bevölkerung als miteinander verbunden wahrgenommen werden. Kritik geht dabei oftmals über die einzelnen Bereiche hinaus und kann die Verflechtung dieser gesellschaftlichen Teilsysteme betreffen oder, in manchen Fällen, eine generellere Ablehnung des politischen und demokratischen Systems bedeuten." Allerdings würden sich Kritik an wissenschaft und Demokratie in allen Teilen der Bevölkerung finden, soziodemografische Merkmale seien dabei nicht einheitlich ausgeprägt.
"Wissenschaft muss selbst handeln"
Auch die Wissenschaft selbst produziere Skepsis, weil sie die Art ihrer Tätigkeit nur eingeschränkt vermittle und zu wenig darüber reflektiere und kommuniziere, dass Forschungsergebnisse auch widersprüchlich sein können. Und dass Wissenschaft und Forschung nicht unabhängig von Interessen sei.
Starkbaum plädiert dafür, die Wissenschafts- und Demokratieskepsis ernst zunehmen, denn sie seien Lösungen wie zum Beispiel für die Klimakrise abträglich. Dies sei auch ein Auftrag für Politik und Wissenschaft selbst zu handeln. "Da sich Kritik an Wissenschaft- und Demokratie in einer Vielfalt an Überzeugungen und Standpunkten begründet, ist es auch notwendig, vielfältige Maßnahmen zu setzen", so Starkbaum. "Viele Personen, die Kritik an Wissenschaft und Demokratie äußern, lehnen diese Bereiche nicht systematisch und unbegründet ab und können daher auch im Dialog erreicht werden."
#ZITAT
"An den besten Privatunis der Welt - Harvard, Stanford, MIT - ist die Wissenschaftsfreiheit verwirklicht, am öffentlichen IDSA wäre sie es nicht. Das Konstrukt entspricht mehr einer chinesischen als einer amerikanischen Vorstellung von Universität."
uniko-Präsident Oliver Vitouch zum Regierungsentwurf für die Digitaluniversität in Linz
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