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Newsletter 7/20

26.11.2020

KOMMENTAR

Achteinhalb Monate nach Verhängung des ersten – harten – „Lockdown“ in Österreich und zur Halbzeit des aktuellen, zweiten lässt sich naturgemäß kein Gesamtbefund erstellen. Als Mitglied der EU COVID-19 National Scientific Advice Platform, als ehemaliger Präsident des Obersten Sanitätsrats (2018-2019) und ehemaliges Mitglied des Beraterstabs der österreichischen Corona Virus Task Force (II-VIII/2020) darf der Rektor der MedUni Wien jedoch festhalten: In den vergangenen Monaten zeigte sich eindrucksvoll die Leistungsfähigkeit der modernen Wissenschaften, vor allem in den medizinischen Bereichen Impfstoffentwicklung, Labordiagnostik und Infektiologie, aber auch in vielen Beiträgen zur Balancierung des Nutzen-Risiko-Profils der Covid-19-Maßnahmen auf den Gebieten der Mathematik, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Neben diesen positiven Signalen waren die letzten Monate aber auch eine teilweise ernüchternde Lektion zu „nationaler Resilienz“, „Fake News“, „Propaganda“ und „Pseudowissenschaft“.

INLAND

Anders als im März waren Österreichs Universitäten auf den zweiten „Lockdown“ in diesem Jahr gut vorbereitet. Von der COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung, datiert mit 3. November, und der seit 17.11. geltenden COVID-19-Notmaßnahmenverordnung des Gesundheitsministeriums wurde der Handlungsspielraum der Universitäten, anders als ursprünglich befürchtet, nicht eingeschränkt. Im Rahmen ihrer Autonomie haben die Universitäten auf Basis ihrer Sicherheitskonzepte einen weitgehenden Umstieg von Präsenz- auf Fernlehre umgesetzt und berücksichtigen damit auch die Empfehlung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF): „Ausdünnung der Sozialkontakte an den Hochschulen, aber nicht Einstellung des Betriebs.“

Mehr als fünf Monate nach dem Start der von der Universitätenkonferenz (uniko) ins Leben gerufenen Online-Kampagne „UNInteressant? – Ideen, die unser Leben verbessern“ wurde die Themenpalette um einen Zusatz erweitert, der die Dimensionen der Fortbewegung in den Fokus rückt: Mit dem Dauerbrenner Mobilität sollen trotz oder gerade wegen des seit Anfang November wieder geltenden Lockdowns die diesbezüglichen Herausforderungen und Möglichkeiten für die Menschheit in der nächsten Dekade wissenschaftlich unter die Lupe genommen werden. Die Beiträge der einzelnen Universitäten reichen vom Design des Urlaubshausboots „Freiraum“ über passende Spielregeln für selbstfahrende Autos bis zur Logistik der Hauszustellung von Lebensmitteln.

In getrennt geführten Interviews für die aktuelle FALTER-Beilage BILDUNG nehmen uniko-Präsidentin Sabine Seidler und der Generalsekretär der Fachhochschul-Konferenz (FHK) Kurt Koleznik zum Verhältnis der beiden tertiären Einrichtungen Stellung. Während dieser weiterhin das Promotionsrecht an der FH als Ziel anführt, spricht sich die uniko-Präsidentin strikt dagegen aus: Dies sei nicht notwendig, erklärt sie und fügt hinzu: „Es muss natürlich institutionalisierte Wege geben, damit auch FH-Absolventinnen und -Absolventen promovieren können. Es gibt auch bereits langjährige Kooperationen im Forschungsbereich, welche die angebliche Konkurrenz Lügen strafen.“ Nachsatz von Seidler: „Ich würde mir wünschen, dass die FHs ein bisschen entspannter wären.“

uniko-VERANSTALTUNG

Wie gehen Universitäten mit Geschlechtervielfalt um?

„Geschlechtervielfalt an Universitäten – Repräsentationen, Strategien und Handlungsmöglichkeiten“: So lautete das Motto der Online-Tagung, die am 25. November von der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw) gemeinsam mit der uniko ausgerichtet und via Zoom von 100 teilnehmenden Personen besucht wurde. Ausgangspunkt der Veranstaltung war das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zum Personenstandsgesetz („3. Geschlecht“) vom 15. Juni 2018, mit dem nun auch Universitäten verpflichtet sind, diese Entscheidung umzusetzen. Ziel der Tagung war es, Handlungsmöglichkeiten für Universitäten und deren Angehörige aufzuzeigen, institutionelle Zwischenräume ausfindig zu machen und zur Vernetzung untereinander anzuregen.

Ausgehend von der Prämisse, dass Vorstellungen von Geschlecht und Geschlechternormen prägend und strukturierend auf das Denken und Handeln wirken und sich durch Wissenschaft, Bildung und universitäre Strukturen ziehen, wurden in Vorträgen und Forensitzungen die relevanten Fragen behandelt: Welche Chancen, Auswirkungen und Perspektiven gehen mit dem Spruch des VfGH für Universitäten einher? Wie kann Ausschlüssen und Benachteiligungen von Trans*Personen (Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht mit dem Geschlecht übereinstimmt, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde), Inter*Personen (Menschen, die im Hinblick auf ihr Geschlecht nicht eindeutig einer der medizinischen „Normkategorien“ eines entweder „männlichen“ oder „weiblichen“ Körpers zugeordnet werden können) und nicht-binären Personen (Geschlechter und Nicht-Geschlechter, die weder ausschließlich weiblich noch ausschließlich männlich sind) aktiv entgegengewirkt werden?

Tradierte Privilegien. Die Vorsitzende der Task Force Gender & Diversity in der uniko, TU-Vizerektorin Anna Steiger, machte in ihrer Begrüßung darauf aufmerksam, dass die Rechtsprechung des VfGH bis heute nicht gesetzlich umgesetzt worden sei. Gleichzeitig warf sie die Frage auf, ob ein Erlass die richtige Rechtsform sei, um sich an die Universitäten zu wenden und dieses Thema zu regeln. Andrea Ellmeier, Leiterin der Stabstelle Gleichstellung, Gender Studies und Diversität an der mdw sprach sich dafür aus, dass die Universitäten den Spruch des VfGH tatsächlich „leben“. Rosa Reitsamer, Professorin für Musiksoziologie an der mdw, hielt in ihrer Keynote mit Kritik nicht hinter dem Berg: Der Abbau von Ungleichheit an den Universitäten vollziehe sich nur langsam, „weil es um die Verteidigung tradierter Privilegien und Reproduktion der binären Geschlechterordnung geht“.

Eines der fünf Foren, jenes für Forschung und Lehre, postulierte daher: „Lehrende und Forschende an Universitäten sind gefordert, gemeinsam mit Studierenden und  Forschungsteilnehmenden ein diskriminierungskritisches (Arbeits-)Umfeld zu ermöglichen, in dem die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Erfahrungsrealitäten und Positionierungen ebenso im Vordergrund stehen sollte wie ein reflektierter Umgang mit Ausschlüssen und Hierarchien.“ Eine Momentaufnahme (live graphic recording) der Tagungsergebnisse ist demnächst auf der uniko-Homepage https://uniko.ac.at/themen/veranstaltungen/dokumentation/ und der Website der mdw-Stabstelle Gleichstellung, Gender Studies und Diversität (GGD) https://www.mdw.ac.at/ggd/ abrufbar.

KURZMELDUNG

Konstituierende Sitzung für TU in Oberösterreich

Unter der Leitung von Bundesminister Heinz Faßmann und Landeshauptmann Thomas Stelzer fand am 11. November das erste Arbeitsgespräch der Vorbereitungsgruppe zur neuen technischen Universität in Oberösterreich mit Schwerpunkt Digitalisierung statt: Mit dem konstituierenden Meeting des Gremiums – unter den Mitgliedern auch uniko-Präsidentin Sabine Seidler – habe nun „die inhaltlich-operative Arbeit für eines der aktuell bedeutendsten hochschulpolitischen Entwicklungsprojekte“ begonnen, sagte Faßmann. Handlungsauftrag der Vorbereitungsgruppe sei die Erstellung eines umfangreichen Rahmenplans für die neue Universität unter Berücksichtigung der wissenschaftspolitischen, strukturellen, rechtlichen, organisatorischen und finanziellen Aspekte. Auf Basis der Ergebnisse der Vorbereitungsgruppe soll im Frühjahr 2021 die wissenschaftliche Konzeptgruppe ihre Arbeit beginnen.

ZITAT DES MONATS

„Generell kann man sagen, dass alle westlichen Regierungen in Schwierigkeiten geraten sind, weil sie radikale Entscheidungen treffen müssen, die nicht populär sind. Und anstatt ihre Bürger in diese Richtung zu führen, schrecken sie zurück – aus Angst, Konsens zu verlieren und die Wirtschaft zu kompromittieren. Man wartet, bis die Infektionszahlen hoch genug sind, damit diese Schritte legitimiert sind. Das ist oft zu spät.“

WHO-Mitglied Walter Ricciardi, Chefberater der italienischen Regierung und Professor für Präventionsmedizin an der Mailänder Universität Cattolica, im Interview mit der PRESSE am 13.11.2020.

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