Nach zwölf Jahren als Rektor der Universität Klagenfurt und fast neun Jahren an der Spitze der uniko - abwechselnd als Vizepräsident und wie zuletzt wieder als Präsident - scheidet Oliver Vitouch mit 28. Oktober aus beiden Funktionen aus. Die Rektor:innen haben Vitouch bei der letzten Plenarversammlung für seinen Einsatz für die Universitäten mit minutenlangem Applaus bedacht. Auch bei der Abschiedsfeier an der Universität Klagenfurt am 22. Oktober kam die Anerkennung für Vitouchs Leistungen deutlich zum Ausdruck. So bilanzierte uniko-Vizepräsident, MedUni-Wien-Rektor Markus Müller: "Die Universitäten stehen nach diesen fast neun Jahren viel besser da."
Minister brachte Verdienstorden mit
Abschiedsfeier für Präsident Oliver Vitouch bei der Plenarsitzung am 14. Oktober in Krems. Rektor:innen vlnr: Petra Winter, Eva Schulev-Steindl, Friedrich Faulhammer, Peter Riedler, Ulrike Sych, Sebastian Schütze, Elisabeth Gutjahr, Jens Schneider, Georg Schulz, Rupert Sausgruber, GS Elisabeth Fiorioli, Stefan Koch, Oliver Vitouch, Horst Bischof, Wolfgang Fleischhacker, Petra Schaper Rinkel, Johan Hartle, Bernhard Fügenschuh, Markus Müller
#EU-WETTBEWERBSPOLITIK
Der Draghi-Report und die Folgen für Forschung, Technologie und Innovation in Europa
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat den ehemaligen EZB-Chef, Italiens Ex-Premier Mario Draghi, mit einem Report zur Stärkung der EU-Wettbewerbsfähigkeit beauftragt. Herausgekommen ist eine neue Industriestrategie für Europa, die umfassende Änderungen auch im Forschungsbereich mit sich bringt. Draghis Vorschläge haben weitgehend Eingang in das Arbeitsprogramm der neuen EU-Kommission gefunden, von der Leyen hat die Aufgaben in den Dossiers der zuständigen Kommissare verankert. Der FORWIT hat den Draghi-Report und dessen Folgen für den Bereich Forschung, Technologie und Innovation analysiert.
Unterschieden wird im Folgenden in "FTI als eigenes Politikfeld" und in "FTI-politische Maßnahmen in sektoralen Politikfeldern".
FTI als eigenes Politikfeld enthält folgende Empfehlungen und Vorschläge:
- Das Framework Programme soll in seiner bevorstehenden, zehnten Ausgabe reformiert werden – konkret soll es auf eine kleinere Zahl gemeinsamer Prioritäten reduziert, auf 200 Mrd. Euro für die sieben Jahre Laufzeit (2028-34) und die Budgetallokation stärker auf die Finanzierung von disruptiver Innovation fokussiert werden.
- Der European Innovation Council soll zu einer Art ARPA (Advanced Research Project Agency) umgebaut werden.
- Zur besseren Koordination von FTI-Politik in Europa sollen eine Research and Innovation Union und ein European Research and Innovation Action Plan erstellt werden.
- Der ERC soll mehr Budget erhalten, außerdem ein ERC for Institutions aufgebaut und ein EU Chair-Programm für die Ansiedlung von Top-Wissenschafter:innen implementiert werden.
- Die Mobilität von Forschenden soll durch eine Erweiterung von Erasmus+ erfolgen.
- Ein europäischer Rechtsrahmen soll eingerichtet werden, der private Zuwendungen für öffentliche Universitäten ermöglicht
- Hinsichtlich der Notwendigkeit, Upscaling von Startups zu ermöglichen, empfiehlt der Bericht ein Blueprint für Royalty Sharing, ein Unitary Patenting für alle Mitgliedsstaaten, ein Erfassen, wie digitale und andere Regulierungen KMUs betreffen sowie das Schaffen einer neuen EU-weiten Rechtsform namens „Innovative European Company“.
- Für einen Ausbau des europäischen Kapitalmarkts sollen bessere Rahmenbedingungen für Business Angels und VC geschaffen werden; außerdem werden Änderungen der Solvency 2 Direktive angeregt und vorgeschlagen, dass Pensionsfonds motiviert werden sollen, stärker in innovative Unternehmen zu investieren.
FTI-politische Maßnahmen in sektoralen Politikfeldern
Forschung, Technologie und Innovation wird in diesem Teil des Draghi-Reports in unterschiedlicher Form in Anschlag genommen: in Form von Forschungsförderungsprogrammen, in Form von regulativen Maßnahmen, die Forschung und Innovation induzieren sollen, in Form von Nutzung bestehenden Know-hows (etwa bei der Facharbeiter-Ausbildung bzw. beim Setzen von Standards) und weiterer Soft-Instrumente. Als besonders wichtig und dringlich erachtet werden:
- Hinsichtlich AI gilt es Infrastrukturmaßnahmen zu setzen und ein Federated AI Model zu entwickeln. Die Integration von AI muss über verschiedene Industrien hinweg koordiniert werden, u.a. um Datasharing zu erreichen. Dazu werden ein AI Vertical Priorities Plan und AI Sandbox Regimes empfohlen.
- Hinsichtlich der Dominanz amerikanische Firmen im Bereich des Cloud Computing muss die EU einen strategischen Weg finden, wie sie diesen technologischen Vorsprung der USA nutzt und zugleich nicht in eine Abhängigkeit kommt.
- Hinsichtlich Telekomsektor empfiehlt der Bericht ein EU-weites Lizensierungsregelwerk bzw. generell den Telekommarkt auf EU-Level zu heben
- Hinsichtlich Pharma empfiehlt der Bericht den Ausbau des European Health Data Space und auch hier die Etablierung eines europäischen Marktes; es soll außerdem eine beschränkte Zahl von Innovationshubs in den Life Sciences auf Weltklasseniveau gehoben werden.
Fazit des FORWIT: Angesichts seiner Detailliertheit und seiner potenziellen Wirksamkeit auf die künftige Politikgestaltung der EU bietet der Draghi-Bericht eine Orientierung, wohin sich die europäische Diskussion entwickeln könnte und zeigt auch Handlungsoptionen für die künftige Bundesregierung auf.
Eine der möglichen Entwicklungen wird in der europäischen Forschungscommunity mit Sorge betrachtet, dass nämlich unter dem Titel "Wettbewerbsfonds (Competitiveness Fund)" ein Mega-Förderungstopf geschaffen wird, der auch das derzeitige europäische Forschungsrahmenprogramm schlucken könnte. "Das Forschungsrahmenprogramm ist ein Leuchtturm der europäischen Forschungspolitik und der internationalen Sichtbarkeit von Exzellenz", sagt uniko-Generalsekretärin Elisabeth Fiorioli. "Forschung trägt zwar wesentlich zur Wettbewerbsfähigkeit bei, aber das geht nur, wenn sie unabhängig passiert. Forschung darf keinesfalls dem Wettbewerb untergeordnet werden."
Fiorioli verweist darauf, dass gerade unter dem Vorsitz des portugiesischen Ex-Wissenschaftsministers Manuel Heitor und der Mitwirkung des Board-Members, ÖAW-Präsident Heinz Faßmann an FP 10, der nächsten Generation des Rahmenprogramms, gearbeitet wird. FP 10 soll von 2028 bis 2034 gelten und 220 Milliarden Euro umfassen.