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NEWSLETTER 5/17

27.09.2017

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Trilaterales Treffen: Grenzüberschreitung einst und jetzt

Das Foto entstand anno 1907. Es zeigt 25 gestreng dreinblickende, vorwiegend bärtige Herren im Frack oder Gehrock, in einer Halle mit dunklen Holzvertäfelungen, übergroßen Gemälden und vielstrahligem Luster. Ort ist die Aula der 1527 gegründeten Philipps-Universität Marburg; Anlass ist das erste Trilaterale Treffen von Rektoren – dazumal bekanntlich nur Männer – aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Proceedings der Tagung sind auf dem grünen Tisch ausgebreitet.

Das Trilaterale Treffen von Rektorinnen und Rektoren der D-A-CH-Länder (HRK, uniko, swissuniversities) beging heuer also sein 110-jähriges Jubiläum. Die einstige Marburger Agenda ist nicht überliefert. Wir können aber getrost davon ausgehen, dass sie sich nur marginal mit jener des diesjährigen Treffens, das von 21. bis 22. September an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt stattfand, überschnitten hat. Bei allen sechs Themen erwies sich, dass die Druckpunkte in den drei Nachbarländern, die frei nach Karl Kraus vor allem die gemeinsame Sprache trennt, im Wesentlichen dieselben sind:

Hochschulfinanzierung und Aufnahmeverfahren: Hier ist die Lage in Deutschland und der Schweiz maßgeblich besser, wobei die aktuellen österreichischen Entwicklungen in Richtung Studienplatzfinanzierung den Anschlusstreffer bringen könnten.

Ausbildung von Medizinerinnen und Medizinern / Ärztemangel und Qualitätssicherung: Das „Landarztproblem“ ist allerorts das gleiche (in grün). Es ist im Kern ein Verteilungsproblem: Die Niederlassungsbedingungen sind entsprechend zu attraktivieren. Ärztliche Versorgungszentren werden relativ zu Einzelpraxis und Großklinik eine wachsende Rolle spielen; ambulante Diagnostik und Versorgung wird zunehmen.

Open Access / Open Science: Die freie und unverzügliche Verfügbarkeit wissenschaftlicher Veröffentlichungen ist zum Greifen nah. Sie bedarf jedoch einer Änderung der Geschäftsmodelle von Verlagsgiganten wie Elsevier, mit denen die deutsche Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in harten Verhandlungen steckt. Dieser Paradigmenwechsel wird auch Publikationsgewohnheiten verändern, weil die tatsächlichen Kosten einer Veröffentlichung transparent werden.

Digitalisierung: Sie durchdringt rasant alle Lebensbereiche, eröffnet Chancen und Risken. Die Universitäten haben dabei mannigfaltige Aufgaben: Die technologischen Entwicklungen, die Ausleuchtung ökonomischer und soziologischer Effekte, die Erschließung neuer Felder wie „Digital Rights“, die Sicherstellung schulischer Kompetenzen, die Digitalisierung der eigenen Angebote. Deutschland und die Schweiz setzen hier engagierte Programminitiativen.

Gefährdete Wissenschaft / Akademische Freiheit: Der globale „March for Science“ liegt noch nicht lange zurück; das Eröffnungsstück der „Hochschulgespräche“ in Alpbach zu exzessiver politischer Korrektheit lässt ebenso schlucken wie die Situation in der Türkei, in den USA, in Ungarn oder Polen. Klarer Konsens: Wissenschaftsfreiheit ist mehr als nur die Abwesenheit von Repression.

Soziale Dimension / Zugang zu Hochschulbildung: Das für den deutschen Sprachraum typische Gymnasialsystem macht wirksame „end of pipeline“-Maßnahmen schwierig. In Deutschland und Österreich besteht jedoch mittlerweile ein waches Bewusstsein für die Notwendigkeit aktiver Förderprogramme.

Die Aufgabenvielfalt der Hochschulen ist heutzutage eine merklich andere; das Thema Diversität ist in jeder Hinsicht auf dem Campus angekommen. Anders als ihre befrackten Vorgänger spiegeln auch die Rektorinnen und Rektoren selbst Diversität wider. Das ändert zugleich nichts an den Grundaufgaben von Universität: Forschung und Lehre auf höchstem Niveau, Forderung und Förderung von Problemlösekompetenz bei unseren Studierenden. Die wird es im 21. Jahrhundert ebenso dringlich brauchen wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts, damals in der Aula zu Marburg.

Präsident Oliver VITOUCH

Rektor Universität Klagenfurt

INLAND

Zweieinhalb Monate nach dem überraschenden Beschluss des Universitätsbudgets (2019 bis 2021) durch SPÖ, FPÖ und Grüne im Nationalrat Ende Juni (gegen die Stimmen der ÖVP) und fünf Wochen vor der Nationalratswahl am 15. Oktober hat die Allianz österreichischer Wissenschaftsorganisationen, darunter die uniko, fünf Fragen an die wahlwerbenden Parteien verschickt. Am 18. September lagen die Antworten der fünf im Parlament vertretenen Fraktionen auf den Fragenkatalog betreffend Wissenschaft, Forschung und Universitäten vollständig vor. SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne und NEOS wollen sich demnach – aller Auffassungsunterschiede zum Trotz – nach dem Urnengang für Investitionen in die Wissenschaft stark machen (die einzelnen Antworten sind unter dem Link www.uniko.ac.at der uniko-Homepage zu entnehmen).

Die Universitätenkonferenz (uniko) hat keine gemeinsame Stellungnahme zu dem von Wissenschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP) in Begutachtung geschickten Entwurf zur Studienplatzfinanzierung abgegeben. uniko-Präsident Oliver Vitouch begründete das Mitte September gegenüber der APA mit der „sehr heterogenen Ausgangslage" der einzelnen Hochschulen in Sachen Finanzierung, Betreuung und Möglichkeit zur Zugangsregelung. „Auf dieser Basis sind die Universitäten zu unterschiedlichen standortspezifischen Wertungen gekommen", erklärte Vitouch. Daher verweise die uniko auf die Einzelstellungnahmen der Unis.

INTERNATIONALES

Premiere für die Alpen-Adria-Universität: Erstmals fand das traditionelle Trilaterale Treffen der Rektorenkonferenzen aus den deutschsprachigen Ländern in Klagenfurt statt. In seiner Rolle als Gastgeber konnte Rektor und uniko-Präsident Oliver Vitouch bei der zweitägigen Veranstaltung am 21./22. September im Lakeside Science & Technology Park fast zwei Dutzend Magnifizenzen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (D-A-CH) begrüßen (Foto: aau/ Müller). In sechs Sitzungen wurden Themen wie Hochschulfinanzierung, Open Access, Medizinstudium und „soziale Dimension“ in der tertiären Bildung erörtert sowie Unterschiede und Gemeinsamkeiten ausgelotet (siehe auch Kommentar).

„Universitäten im postfaktischen Zeitalter“: Unter dieses Motto stellte die Universitätenkonferenz (uniko) ihre Veranstaltung am 23. August im Rahmen der diesjährigen Hochschulgespräche des Forums Alpbach, dessen Generalthema mit „Konflikt und Kooperation“ vorgegeben war. Was Universitäten als „Säulen der Wissensgesellschaft“ dem von postfaktischen Erklärungen getriebenen Trend zur gesellschaftlichen Desintegration entgegenhalten könnten, darauf hatten fast alle wissenschaftlichen Stimmen am Podium eine ähnliche Antwort: Bildung und Stärkung der „kritischen Urteilsfähigkeit“ – gerade diese sei doch an der Alma Mater zu Hause, lautete die Empfehlung von Elisabeth Holzleithner, Leiterin des Instituts für Rechtsphilosophie an der Universität Wien.

PERSONALIA

Die Universität Mozarteum Salzburg dürfte die lange Suche nach einer neuen Führung beendet haben. Elisabeth Gutjahr wurde am 24. Juli zur Rektorin gewählt, nachdem der zunächst designierte Rektor Reiner Schuhenn aufgrund von Unstimmigkeiten sein Amt nicht angetreten hatte. Wann die 1960 in Bonn geborene Rektorin der Trossinger Hochschule für Musik antritt, muss aber noch vereinbart werden.

ZITAT DES MONATS

Höhere Bildung zahlt sich auch für den Staat aus . . . Bildungsinvestitionen führen auch zu höheren staatlichen Erträgen, „weil Absolventen des Tertiärbereichs höhere Einkommensteuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen und weniger sozialstaatliche Transferleistungen in Anspruch nehmen".

DER STANDARD zitiert in seiner Ausgabe vom 13.9.2017 aus der jüngsten OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“.

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