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NEWSLETTER 5/17

27.09.2017

KOMMENTAR

Das Foto entstand anno 1907. Es zeigt 25 gestreng dreinblickende, vorwiegend bärtige Herren im Frack oder Gehrock, in einer Halle mit dunklen Holzvertäfelungen, übergroßen Gemälden und vielstrahligem Luster. Ort ist die Aula der 1527 gegründeten Philipps-Universität Marburg; Anlass ist das erste Trilaterale Treffen von Rektoren – dazumal bekanntlich nur Männer – aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Proceedings der Tagung sind auf dem grünen Tisch ausgebreitet.

INLAND

Zweieinhalb Monate nach dem überraschenden Beschluss des Universitätsbudgets (2019 bis 2021) durch SPÖ, FPÖ und Grüne im Nationalrat Ende Juni (gegen die Stimmen der ÖVP) und fünf Wochen vor der Nationalratswahl am 15. Oktober hat die Allianz österreichischer Wissenschaftsorganisationen, darunter die uniko, fünf Fragen an die wahlwerbenden Parteien verschickt. Am 18. September lagen die Antworten der fünf im Parlament vertretenen Fraktionen auf den Fragenkatalog betreffend Wissenschaft, Forschung und Universitäten vollständig vor. SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne und NEOS wollen sich demnach – aller Auffassungsunterschiede zum Trotz – nach dem Urnengang für Investitionen in die Wissenschaft stark machen (die einzelnen Antworten sind unter dem Link www.uniko.ac.at der uniko-Homepage zu entnehmen).

Die Universitätenkonferenz (uniko) hat keine gemeinsame Stellungnahme zu dem von Wissenschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP) in Begutachtung geschickten Entwurf zur Studienplatzfinanzierung abgegeben. uniko-Präsident Oliver Vitouch begründete das Mitte September gegenüber der APA mit der „sehr heterogenen Ausgangslage" der einzelnen Hochschulen in Sachen Finanzierung, Betreuung und Möglichkeit zur Zugangsregelung. „Auf dieser Basis sind die Universitäten zu unterschiedlichen standortspezifischen Wertungen gekommen", erklärte Vitouch. Daher verweise die uniko auf die Einzelstellungnahmen der Unis.

INTERNATIONALES

Premiere für die Alpen-Adria-Universität: Erstmals fand das traditionelle Trilaterale Treffen der Rektorenkonferenzen aus den deutschsprachigen Ländern in Klagenfurt statt. In seiner Rolle als Gastgeber konnte Rektor und uniko-Präsident Oliver Vitouch bei der zweitägigen Veranstaltung am 21./22. September im Lakeside Science & Technology Park fast zwei Dutzend Magnifizenzen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (D-A-CH) begrüßen (Foto: aau/ Müller). In sechs Sitzungen wurden Themen wie Hochschulfinanzierung, Open Access, Medizinstudium und „soziale Dimension“ in der tertiären Bildung erörtert sowie Unterschiede und Gemeinsamkeiten ausgelotet (siehe auch Kommentar).

Alpbach: Kritischer Verstand als Gegengift in postfaktischer Ära

„Universitäten im postfaktischen Zeitalter“: Unter dieses Motto stellte die Universitätenkonferenz (uniko) ihre Veranstaltung am 23. August im Rahmen der diesjährigen Hochschulgespräche des Forums Alpbach, dessen Generalthema mit „Konflikt und Kooperation“ vorgegeben war. Was Universitäten als „Säulen der Wissensgesellschaft“ dem von postfaktischen Erklärungen getriebenen Trend zur gesellschaftlichen Desintegration entgegenhalten könnten, darauf hatten fast alle wissenschaftlichen Stimmen am Podium eine ähnliche Antwort: Bildung und Stärkung der „kritischen Urteilsfähigkeit“ – gerade diese sei doch an der Alma Mater zu Hause, lautete die Empfehlung von Elisabeth Holzleithner, Leiterin des Instituts für Rechtsphilosophie an der Universität Wien.

Dies unterstrich auch Ulrich Berger, Vorstand des Instituts für Analytische Volkswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien: Universitäten müssten sich im postfaktischen Zeitalter ihrer Rolle als „Bastion im halbwegs kritischen Denken“ bewusst werden. Auch deshalb müsste man Missstände, wie die „Einnistung von Pseudowissenschaften“, darunter die Homöopathie, öffentlich angreifen. Immerhin stünde die Reputation der Universitäten am Spiel, warnte Berger. Ulrike Tappeiner, Biologie-Dekanin an der Universität Innsbruck, verwies auf Studien in Deutschland, wonach den  Universitäten – etwa im Gegensatz zu den Printmedien – hohe Glaubwürdigkeit attestiert werde. „Das sollten wir nützen. Unseren Aussagen wird vertraut“, fügte Tappeiner hinzu. Sie schlug vor, die Forscher und Forscherinnen in Pflichtmodulen darauf vorzubereiten, ihre Erkenntnisse verständlich zu kommunizieren. Diese Bemühungen sollten auch für die Universitätskarriere ausschlaggebend werden, anstatt ausschließlich die „Echokammer“ von Publikation und Lehre.

Vertrauensfrage. Das „Sozialkapital“, also das Vertrauen der Menschen in universitäre Forschung, sei nach wie vor hoch, das Interesse allerdings eher gering, bestätigte Matthias Karmasin, stellvertretender Institutsvorstand des Instituts für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Klagenfurt. Studien würden zeigen, dass „Wissenschafts-PR nichts bringt – das ist preaching to the converted“. Zusätzliche Universitätsmittel sollten daher zwar via Leistungsvereinbarung in die Kommunikation fließen, „aber nicht in eine neue Stelle in der PR-Abteilung, sondern in die Gestaltung der Curricula“.

Viele Wissenschafterinnen und Wissenschafter, die auf einen rein faktenbasierten Diskurs trainiert sind, wüssten gar keine Antwort auf Phänomene wie „Bullshitting“ oder „alternative Fakten“, meinte Karmasin. „Die Produktion von Zweifel ist sehr lukrativ“, das habe man etwa bei den gezielten Kampagnen gegen wissenschaftliche Glaubwürdigkeit zum Thema Rauchen oder zum Klimawandel gesehen. Diese Phänomene seien nicht neu, und das Diktum vom „postfaktischen Zeitalter“ eine Zuspitzung, die suggeriert, dass es jemals ein „faktisches Zeitalter“ gegeben hätte.

PERSONALIA

Die Universität Mozarteum Salzburg dürfte die lange Suche nach einer neuen Führung beendet haben. Elisabeth Gutjahr wurde am 24. Juli zur Rektorin gewählt, nachdem der zunächst designierte Rektor Reiner Schuhenn aufgrund von Unstimmigkeiten sein Amt nicht angetreten hatte. Wann die 1960 in Bonn geborene Rektorin der Trossinger Hochschule für Musik antritt, muss aber noch vereinbart werden.

ZITAT DES MONATS

Höhere Bildung zahlt sich auch für den Staat aus . . . Bildungsinvestitionen führen auch zu höheren staatlichen Erträgen, „weil Absolventen des Tertiärbereichs höhere Einkommensteuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen und weniger sozialstaatliche Transferleistungen in Anspruch nehmen".

DER STANDARD zitiert in seiner Ausgabe vom 13.9.2017 aus der jüngsten OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“.

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