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Budget-Countdown: uniko zu Chancen und Risken der Berufungspolitik
Spätestens am 31. Oktober 2020 muss laut Universitätsgesetz das Budget für die Leistungsvereinbarungsperiode 2022 bis 2024 fixiert sein. Die Präsidentin der Universitätenkonferenz (uniko) Sabine Seidler nahm daher bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Rektor der Universität Wien, Heinz Engl, am 15. September den Countdown zum Budgetstichtag zum Anlass, um schon jetzt die politisch Verantwortlichen darauf hinzuweisen: Nur weil Corona die Agenda dominiere, dürfe das Kernthema für die Universitäten, die mittelfristige Finanzierung, nicht aus dem Blickfeld geraten. Die uniko habe wiederholt den Mehrbedarf für die nächste Budgetperiode, nämlich 700 Millionen Euro mehr pro Jahr, somit 2,1 Milliarden Euro, öffentlich deponiert. Der bisher fehlende Widerhall habe sie in der Annahme bestärkt, „dass die Notwendigkeit per se nicht angezweifelt wird“, erklärte die Präsidentin (im Bild mit Rektor Engl und Prof. Andreas Stohl; Foto: Matthias Heisler).
Die Corona-Krise habe eindrücklich die Relevanz von Wissenschaft und Forschung gezeigt, so die uniko-Präsidentin, und den eingeschlagenen Pfad der Universitätsfinanzierung NEU bestätigt: Ob ein Wachstumsbudget in Zeiten der Pandemie realistisch sei, müsse allerdings die Politik beantworten. Nachsatz: „Wir können nur aufzeigen, was notwendig ist.“ Seidler verwies in diesem Zusammenhang auf die Chancen und Risken, die sich bei einem nicht gesicherten Universitätsbudget für die Berufungspolitik der einzelnen Häuser ergeben. So habe eine Reihe von Rektoraten im Vertrauen auf die Fortsetzung der ersten Etappe der Universitätsfinanzierung NEU, sprich der laufenden Periode 2019 bis 2021, verbunden mit 360 zusätzlichen Professuren, diese ausgeschrieben und teilweise schon in den Lehr- und Forschungsbetrieb integriert. Es wäre ein „Schildbürgerstreich“, so Seidler, „wenn wir, um unsere Zielzahlen in der Leistungsvereinbarung erfüllen zu können, bis zum 31.12.2020 Personal aufbauen, und am 1.1.2021 beginnen, dieses wieder abzubauen“.
Standort-Reputation. Seitens der Universität Wien stellte Rektor Engl fest, dass die qualitative und quantitative Investition geglückt sei: „Die Universitätsfinanzierung NEU brachte die größte Expansion der Universität Wien seit ihrem Aufschwung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.“ Mit mehr als 70 neuen Professuren, größtenteils internationalen Berufungen „nicht nach dem Gießkannenprinzip“, sondern in strategische Zukunftsfelder, schaffe die Universität vielfältige Impulse (siehe auch KOMMENTAR). Nun gelte es, die Expansion zu stabilisieren, denn: „Wenn wir jetzt wieder einen Schritt zurückgehen, ist auf Jahre hinaus unsere Reputation geschädigt“, fügte Engl hinzu.
Andreas Stohl, Professor für Allgemeine Meteorologie an der Universität Wien und einer jener zahlreichen Professoren, die durch die Universitätsfinanzierung NEU an die Universität Wien gekommen ist, erklärte bei der Pressekonferenz: Er habe jetzt die Chance, Wien zu einem Zentrum der Atmosphärenforschung auszubauen, ein höchst relevanter Aspekt angesichts der Klimakrise. „Das gelingt allerdings nur dann, wenn in Ergänzung zum Unibudget die Projektförderung für Grundlagenforschung – und damit das Budget des Wissenschaftsfonds – so dotiert ist, dass sie der veränderten Forschungslandschaft mit den zahlreichen neuen Professorinnen und Professoren gerecht wird."
Knapp vier Wochen ist es her, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit Plänen für die Errichtung einer neuen Technischen Universität (TU) in Oberösterreich bis 2024, mit dem Schwerpunkt Digitalisierung, die Mitglieder seiner Regierung, die Universitäten und die Scientific Community überrascht hat. Seither zeigen in unterschiedlichen Intervallen politisch Verantwortliche auf, um ihre Städte als Standort anzupreisen. Nach der Landeshauptstadt Linz (206.000 Einwohner) und der zweitgrößten Statutarstadt Wels (62.000) meldete diese Woche auch die Bürgermeisterin von Leonding, Oberösterreichs viertgrößter Stadt (31.000), angesiedelt im westlichen Linzer Speckgürtel, ihre Bewerbung gegenüber der KRONE an.
Die sechs Rektorenkonferenzen von Deutschland (HRK), Österreich (uniko und FHK), Polen (CRASP), Slowenien (RKRS) und Tschechien (CRC) haben in einer Aussendung ihre Besorgnis über das Vorgehen der ungarischen Regierung ausgedrückt. Diese hatte jüngst sämtliche Leitungsbefugnisse der Budapester Universität für Theater- und Filmkunst (SZFE) auf ein neues, direkt von der Regierung besetztes Kuratorium übertragen. Die Maßnahmen seien, so die Rektorenkonferenzen, nach dem erzwungenen Umzug der Central European University (CEU) und dem Entzug der Autonomie der Ungarischen Akademie der Wissenschaften im Vorjahr ein weiterer Schritt, um durch den Abbau der politischen Unabhängigkeit von Kunst, Kultur und Wissenschaft kritische Positionen zum Schweigen zu bringen.
EUROPÄISCHER FORSCHUNGSRAUM
Petition zur Sicherung unabhängiger Forschung im EU-Haushalt
Mit einer europaweiten Petition an die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, die Finanzierung des Europäischen Forschungsrats (ERC) zu sichern, sorgen derzeit Wissenschafter und Wissenschafterinnen für Aufsehen. Dem Aufruf „Protect independent research in the EU budget“ haben sich bereits mehr als 23.000 Personen angeschlossen. Im Lichte der aktuellen europäischen Debatte über den nächsten EU-Haushalt werden Einschnitte bei Horizon Europe, dem künftigen europäischen Forschungs- und Innovationsprogramm, befürchtet. In dem Kontext wird die Sorge geäußert, dass die bisherige Budgetplanung sich negativ auf das Förderungsbudget des European Research Council auswirken wird.
Der Link zur Unterzeichnung: