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Newsletter 3/23

16.11.2023

#NEUEREKTOR:INNEN

Viele neue Universitätsleitungen und eine geballte Ladung Gedanken über die Zukunft der Universitäten

Fünf von sechs neuen Rektor:innen haben ihre Inaugurationsreden bereits gehalten. Wir bringen in diesem Sonder-Newsletter Auszüge aus den Texten.

#NEUEREKTORIN

Seit mehr als eineinhalb Jahrhunderten – so lange, wie es die Angewandte gibt – erleben wir eine Abfolge von industriellen Effizienzsteigerungen – aktuell sind es die Versprechen von Künstlicher Intelligenz und Robotik –, die es theoretisch schon lange möglich machen, alle Menschen global aus Hunger und zermürbender Arbeit zu befreien. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts besteht das Versprechen der ‚technologischen‘ Revolutionen, dass sich sehr bald alle Menschen dem widmen können, wofür Kunstuniversitäten und die Angewandte stehen:
Dass sich das intellektuelle und künstlerische Potential aller Menschen durch und mit den Künsten und den Wissenschaften entfalten kann.
Dass sich alle umfassend intellektuelle und technischen Fertigkeiten aneignen – eben durch ein entdeckendes Eintauchen in künstlerische und wissenschaftliche Prozesse.
Dass sich alle Menschen miteinander die Welt sowohl sinnlich als auch analytisch-kritisch zu eigen machen, sich selbst als handelnd und damit zugleich verändernd erleben zu können.

#NEUERREKTOR

"Am Anfang steht immer die menschliche Vorstellungskraft"

TU Wien-Rektor Jens Schneider über die Inspiration zum Forschen und technischen Fortschritt als Problemlösung

Der Kuppelsaal der TU Wien ist eine interessante Konstruktion. Denn bei dieser Konstruktion wurden Prinzipien aus dem Schiffsbau genutzt. In diesem Kuppelsaal sitzt man quasi unter einem umgedrehten Schiffsrumpf. Zur Zeit des Baus der Kuppel war die TU Wien noch das, was man heute als Start-Up bezeichnen würde, und die Kuppel ist gewissermaßen das Resultat eines gelungenen Technologietransfers. Und damit bin ich schon bei einem ersten Kernthema: dem Wissens- und Technologietransfer. Am Ende des Tages erwartet sich die Gesellschaft, dass das an den Universitäten, insbesondere technischen Universitäten, produzierte Wissen in der einen oder anderen Form von der Gesellschaft genutzt werden kann. Wir sollten allerdings zuerst in der Lage sein zu vermitteln, dass Nutzen und Nützlichkeit relative Begriffe sind. Denn: Macht nicht oft das auf den ersten Blick Unnütze, das scheinbar Unnötige, der scheinbare Fehler - in der Forschung, in unserem Streben nach Erkenntnis - den entscheidenden Unterschied? Gerade der Fehler kann der Auslöser sein für neue fundamentale Entdeckungen und innovative Lösungen. Und lässt das Unvorstellbare vorstellbar werden.

Es gibt viele Beispiele dafür, wie diese Institution, die TU Wien, menschlicher Vorstellungskraft zu Höhenflügen verholfen hat. Ich möchte zuerst den von Heinz Zemanek entwickelten und im Mai 1958 vorgestellten "Binär Dezimalen Volltransistor-Rechenautomat" nennen. Obwohl der Name sicher kein Marketing-Coup ist, die technische Errungenschaft war beachtlich: Der erste Computer auf dem europäischen Festland, der vollständig mit Transistoren arbeitete, während man sich in den USA noch auf Röhren verließ. Zemanek meinte zu seiner Maschine: "Wenn es auch nicht die rasante Rechengeschwindigkeit amerikanischer Modelle ereichen kann, die "Wirbelwind" oder "Taifun" heißen, so wird es doch für ein Wiener Mailüfterl reichen."

Ob es um einen - mit dem für unser Haus typischen Understatement als "Mailüfterl" bezeichneten - Meilenstein der Elektro- und Informationstechnik geht; Ob es um eine neue Methode geht wie jene zur Erdbeobachtung mittels Radar, die vom heute
hier anwesenden Wolfgang Wagner bereits 1999 formuliert wurde und heute Standard in den europäischen Satelliten ist; Oder ob es gelingt, einen Lichtpuls im Bereich von Attosekunden, also einer Trilliardsten Sekunde zu messen, wie es Ferenc Krausz geschafft hat; Alle diese beeindruckenden Beispiele zeigen: Am Anfang steht immer die menschliche Vorstellungskraft.

In die richtigen Bahnen lenken

Damit Menschen ihre Vorstellungskraft in eine für sie selbst und ihre Umwelt positive Richtung nützen, braucht es bestimmte Eigenschaften wie Kreativität, Eigenverantwortung, Engagement, Kompetenz und Leistungsbereitschaft. Wenn Menschen nun an unsere Universität kommen, um aufgrund ihrer Talente und Motivation ihre Vorstellungskraft in den Bereichen Technik, Naturwissenschaften oder aber auch Administration umsetzen zu wollen, besitzen sie viele dieser Eigenschaften bereits. Dennoch kommt der TU Wien eine ganz wichtige Rolle zu, wenn es darum geht, Rahmenbedingungen zu schaffen, die diese Menschen dazu befähigen, ihre Vorstellungskraft konsistent und mutig in positive und konstruktive Bahnen zu lenken. Und diese Bahnen nicht zu verlassen. Die zentrale Frage, die sich mir daher stellt, ist: Was muss das Ökosystem TU Wien anbieten, um diese verantwortungsvolle Aufgabe bestmöglich zu erfüllen?

Die sieben T

1. Technik: Es braucht ein klares Bekenntnis zur Technik, ihrer Rolle und der Bedeutung für die Gesellschaft. Technik kann durchaus Teil von Problemen sein und diese auch verursachen. Aber Technik ist und wird immer Teil von passenden Lösungen sein.

2. Talent: Das Ökosystem TU Wien muss ein Umfeld bieten, in dem sich talentierte Menschen wohlfühlen und entfalten können.

3. Toleranz: Das Ökosystem TU Wien muss ein Umfeld bieten, wo Menschen einander mit Toleranz begegnen. Diese Toleranz ist heute von verschiedenen Seiten stark bedroht: von autoritären Regimen, Nationalismus und multinationalen Konzernen ebenso wie von einer "cancel culture".

4. Trust. Das Ökosystem TU Wien muss ein von Vertrauen geprägtes Umfeld gestalten. Dem Sich-Trauen steht das VER-Trauen voran. Freiheit, Eigenverantwortung und Selbstbestimmung im Planen und Tun setzen das feste Vertrauen in die eigenen Kräfte, Fähigkeiten und Möglichkeiten voraus.

5. Transparenz. Sie ist eine der wesentlichsten Voraussetzungen für Vertrauen. Als Forschungsuniversitätt leisten wir als auf Fakten gründende Wissenschaftsgemeinschaft auch einen wichtigen und grundlegenden Beitrag im Kampf gegen Desinformation, "Fake News" und Praktiken des Post-Truth.

6. Team: Das Ökosystem TU Wien muss eine Kultur pflegen, in der das so genannte "collaborative mindset" zur Selbstverständlichkeit wird. Unser Denken, Überlegen, Forschen und Entwickeln adäquater Lösungsvorschläge erfordern koordiniertes, partizipatives sowie transparentes Kooperieren.

7. Truth: Das Ökosystem TU Wien muss eine Kultur pflegen, die sich der ständigen Suche nach Wahrheit verpflichtet fühlt. In der Wissenschaft wissen wir, dass jedes Ergebnis und jede Erkenntnis von begrenzter Dauer ist und früher oder später von einer neuen Erkenntnis ersetzt oder ergänzt wird. Daher gibt es in der Suche nach der Wahrheit keinen Endpunkt.

Die Fähigkeit, mit Ungewissheit zu leben

Der in diesem Sinn die Wahrheit Suchende weiß, dass keine Gewissheit ewig ist und maximal ein Plateau von beschränkter Dauer erreicht wird, von dem es dann wieder in die Ungewissheit aufzubrechen gilt. Es ist also die Aufgabe dieser Institution, die Menschen dabei zu unterstützen, die für die Zukunft der Menschheit essenzielle Fähigkeit zu entwickeln, mit Ungewissheit zu leben, ja sie sogar als Chance zu sehen. Ohne die Fähigkeit, mit Ungewissheit zu leben, läuft die menschliche Vorstellungskraft Gefahr, irgendwann in einen Gewissheit vorgaukelnden Stillstand zu münden.

Auszüge aus der Inaugurationsrede von Rektor Jens Schneider, gehalten am 6. Oktober 2023 an der Technischen Universität Wien

#NEUERREKTOR

Eine Universität ist für mich ein wunderbarer Ort, ein Ort der Hoffnung und der kontinuierlichen Erneuerung. Eine Universität ist ein vielschichtiger Ort der Entdeckungsfreude, der Faszination, der Wissbegierde und des kreativen Miteinanders verschiedenster Menschen. Universitäten sind und waren immer Leuchttürme, aber auch Frühwarnsysteme. Wir leben gerade wieder in einer Zeit großer Umbrüche. Zeitenwende wird manchmal als Begriff verwendet.

Transformationen auf allen Ebenen sind aufgrund von Krisen wie Umweltzerstörung, Krieg, Teuerung oder Energieknappheit zwingend notwendig und werden uns sogar zum Teil mit hoher Geschwindigkeit aufgezwungen. Positiv erlebte Transformationen können nur dann gelingen, wenn wir die dahinterliegenden und begleitenden Prozesse begreifen und damit in weiterer Folge auch mitgestalten können. Zudem können fortlaufende, teilweise radikale Transformationen nur erfolgreich sein, wenn die Resilienz der Gesellschaft, von Organisationen und von Individuen gegeben ist. Es ist die Aufgabe einer Universität, diese Transformationsprozesse und Möglichkeiten zur Steigerung der Resilienz zu untersuchen, zu begleiten und letztendlich positiv mitzugestalten. Es ist auch Aufgabe der Universität, Menschen zielgerichtet darauf vorzubereiten. Wir müssen Vorbild und Kompass sein, in unserem Umgang mit Herausforderungen wie Klimawandel oder demographischem Wandel, aber auch in unserem Umgang miteinander, und in unserer eigenen Transformationsfähigkeit und Resilienz.

#NEUERREKTOR

Die Geschichte der WU beginnt vor 125 Jahren, 1898, mit Gründung der „K.u.K. Exportakademie“, noch sehr klein – mit einer Kohorte von 30 Studierenden – am Standort des damaligen K.u.K. Handelsmuseums im Palais Festetics im Alsergrund. Als solche war sie eine Initiative der Industrie, jedoch unter staatlicher Verwaltung. Die anderen Universitäten waren damals nicht darauf ausgerichtet, eine praxisorientierte Ausbildung anzubieten. Durch die Anforderungen der Zeit, durch den rasch aufstrebenden Welthandel, gab es um die Jahrhundertwende einen starken Bedarf an einer multidisziplinären Ausbildung vor allem für Kaufleute im Bereich Handel und Außenwirtschaft.

Schon etwas früher führte der voranschreitende technologische Wandel zur Gründung von technischen Hochschulen. Wirtschaftsuniversitäten und technische Universitäten haben also etwas gemeinsam: Sie sind aus einem Bedarf für eine praxisnahe Ausbildung entstanden. Als zukunftsweisend erwies sich dabei, dass diese Universitäten, komplementär zur Ausbildung, in den Ausbau der Forschung investiert haben. Damit haben sie die universitäre - sprich: forschungsgeleitete - Lehre in den Vordergrund gestellt.

Heute sind Wirtschaftsuniversitäten und technische Universitäten in den sie betreffenden Bereichen der Forschung vielfach international führend. Gleichzeitig haben sie ihre DNA, die Nähe zur Praxis und ihre Rolle für den Wissenstransfer, nie aufgegeben. Sie entsprechen mit diesem Profil sehr gut den heutigen Ansprüchen an eine relevante Universität.

Wenn wir an die nächsten 125 Jahre denken, an das Jahr 2148: Wird die WU dann noch bestehen, wird sie eine führende und anerkannte Rolle in der Gesellschaft haben?

#NEUERREKTOR

Die Welt ist in weiten Bereichen nicht mehr so, wie wir sie noch vor einigen Jahren gekannt haben. Wir befinden uns mitten in einem signifikanten gesellschaftlichen Umbruch. Neben der angespannten geopolitischen Lage haben Themen wie die Energiefrage, die Ressourcenabhängigkeit oder der Klimawandel unser Leben gehörig durcheinandergebracht und unsere Bedürfnisse verändert.

Wir sehen uns als Institution, welche die notwendigen Innovationsschübe zur Bewältigung der Krisen vorantreibt. Der Gesellschaft und vor allem den jungen Leuten müssen wir zukünftig noch klarer vermitteln, dass die Montanuniversität das Wissens-BioTop ist, aus dem die Lösungen für die Zukunft hervorgehen.

Unsere junge Generation ist stark vom Traum geprägt, an Ideen für eine bessere Welt zu arbeiten. Es ist eine idealistische, aber auch motivierte Generation. Diese Motivation einzufangen und die Hochmotivierten zu uns an die Montanuniversität zu bringen, als Studierende, Forschende und in allen Bereichen arbeitende Personen, ist der Schlüssel für unsere zukünftige erfolgreiche Entwicklung.

#UKRAINEHILFE

Das Ernst Mach-Stipendium Ukraine ist eine Erfolgsgeschichte: Ukrainische Studierende, die das Stipendium bezogen haben, erbringen außerordentliche Leistungen. Allerdings wäre das Programm mit Ende des Wintersemesters 2023/24 ausgelaufen. Im Rahmen der MORE-Initiative unterstützte die uniko die Bemühungen der JKU, das Programm zu verlängern. Mit Erfolg, wie sich kürzlich zeigte.

Seitens des Wissenschaftsministeriums wurde am 11. November nun doch bekanntgegeben, dass das Sonderstipendium Ukraine um ein Jahr verlängert wird. Zudem werden ukrainischen Studierenden im Sommersemester 2024 die Studiengebühren erlassen. Bildungsminister Martin Polaschek bezifferte die Kosten mit zehn Millionen Euro.

#UNIKOGEGENANTISEMITISMUS

Die Universitäten sehen mit großer Betroffenheit, dass die Gewalt im Nahen Osten auch in Österreich ein Anschwellen des Antisemitismus nach sich zieht. Es ist inakzeptabel, dass sich jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger zunehmend bedroht fühlen müssen und jüdische Einrichtungen erneut Ziel von Schmähung und Schändung sind.

Umso wichtiger sind Veranstaltungen wie das Lichtermeer auf dem Heldenplatz, um Jüdinnen und Juden zu versichern: Wir haben aus der Geschichte gelernt, wir halten dagegen! Hassgefühle, Hassparolen und Hassattacken zersetzen unsere friedliche Gemeinschaft; sie sind der Anfang vom Ende eines aufgeklärten, solidarischen und toleranten Miteinander.

#ZITAT

"Diese Basis ermöglicht es den Universitäten, ihr hohes Leistungsniveau aufrechtzuerhalten und - je nach Inflationsentwicklung - auch weiter zu steigern"

uniko-Präsident Oliver Vitouch zu den 16 Milliarden für die Leistungsperiode 2025 bis 2027

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