KOMMENTAR
Mehr Medizinstudienplätze? Systemmängel beheben
Ist eine deutliche Erhöhung der Medizin-Studienplätze sinnvoll? Nein. In Österreich gibt es keinen Mangel an Ärztinnen und Ärzten sondern ein Verteilungsproblem. Wir liegen mit der Zahl der Studienplätze an öffentlichen Universitäten an der Spitze Europas und bilden genügend Ärztinnen und Ärzte aus, deutlich mehr als in Deutschland und der Schweiz. Von einem diesbezüglichen Mangel kann daher keine Rede sein.
Aufgabe der Politik ist es, die Rahmenbedingungen zu verbessern, damit unsere Absolventinnen und Absolventen auf dem Weg ins Berufsleben nicht aufgehalten, sondern im Land behalten werden. Klar erkennbare Mängel im System müssen behoben werden, anstatt noch mehr Ärztinnen und Ärzte zu „produzieren“.
Flaschenhals. In Österreich zeichnet sich ein immer enger werdender Flaschenhals ab: Aus gezielten Befragungen unserer Absolventinnen und Absolventen wissen wir, dass ein Großteil unserer Medizin Studierenden in Österreich bleiben will. Der aktuelle Mangel an Basisausbildungsplätzen durchkreuzt diese Pläne allerdings und verschärft diese Situation, denn für viele bleibt derzeit nur der Weg ins benachbarte Ausland, um nach Abschluss ihres Studiums ihre weitere Ausbildung ohne Wartezeit anschließen zu können.
Mit über 3.000 Studierenden und rund 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die Medizinische Universität Innsbruck die wichtigste medizinische Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich. Wir verzeichnen seit Jahren steigende Zahlen von Absolventinnen und Absolventen und eine messbar hohe Motivation unserer Studierenden. Es gelingt uns zu nahezu 100 Prozent, unsere neu zugelassenen Studierenden bis zum erfolgreichen Abschluss des Studiums zu halten. Das bedeutet, wir bilden quasi genauso viele Ärztinnen und Ärzte aus, wie wir Studierende aufnehmen. Dieses, auch an anderen Medizinischen Universitäten in Österreich erfreuliche Verhältnis bietet den politischen Verantwortungsträgern eine verlässliche Grundlage für zielgerichtete Maßnahmen am Ausbildungs- und Gesundheitsmarkt.
Nachteilige Effekte. Die politische Forderung nach einer massiven Erhöhung der Medizinstudienplätze könnte zudem nachteilige Effekte haben und damit einen tatsächlichen Mangel an Ärztinnen und Ärzten herbeiführen. Denn die begrenzte Anzahl der Medizinstudienplätze ist das Hauptargument, dass es bei den Aufnahmeverfahren für das Humanmedizinstudium weiterhin eine Quote für Österreicherinnen und Österreicher gibt – das bedeutet: 75 Prozent der Studienplätze gehen an Maturantinnen und Maturanten aus Österreich bzw. ihnen gleichgestellte Personen. Fällt diese Quote – so wie es für das Zahnmedizinstudium heuer erstmals der Fall war –, dann geht ein Großteil der Studienplätze in Österreich an Bewerberinnen und Bewerber aus Deutschland. Diese wird es nach Abschluss des Studiums dann eher wieder in ihre Heimat als in die leerstehenden Praxen auf dem Land ziehen.
Die Universitäten können das akute Verteilungsproblem nicht lösen. Wir stehen aber in Gesprächen mit den politischen Entscheidungsträgern, den Ärztekammern und den Sozialversicherungsträgern und sind bemüht die Situation zu entschärfen, etwa indem wir in bestimmten Mangelfächern, wie Allgemeinmedizin, Kinder- und Jugendpsychiatrie oder Pathologie die Ausbildung vertiefen und Lehrpläne aktualisieren.
Allgemeinmedizin. Ein Kernanliegen der Medizinischen Universität Innsbruck ist die Stärkung der Allgemeinmedizin. Die Lehre in diesem Bereich wurde in den vergangenen Jahren stark ausgebaut. Im Zuge einer vom Rektoratsteam eingeleiteten Verwaltungs- und Organisationsreform wurde das „Institut für Allgemeinmedizin“ neu eingerichtet. Wir haben damit die Voraussetzungen geschaffen, das Fach Allgemeinmedizin noch stärker als bisher in der Lehre und der Forschung zu verankern.