KOMMENTAR
Zwischen Konsolidierung und Katerstimmung: Ein Ausblick auf das Uni-Budget 2022-24
„Ich denke unterm Strich können eigentlich alle Universitäten zufrieden sein“ – mit diesen Worten kommentierte Wissenschaftsminister Martin Polaschek zu Jahresbeginn den Abschluss der Leistungsvereinbarungen und das „Rekordbudget“ für die Unis in den nächsten drei Jahren. Doch reicht das Plus von 12,5 Prozent tatsächlich aus, um die Universitäten bei der Finanzierung an internationale Standards heranzuführen?
Gerade der Bundesminister sollte wissen, dass der Grad der Zufriedenheit direkt damit zusammenhängt, welche Ziele mit der Finanzierung verfolgt werden: die ehrgeizigen Pläne aus dem Jahr 2018, über drei Leistungsvereinbarungsperioden hinaus das österreichische Universitätssystem international wettbewerbsfähig zu machen, oder die schon weniger ambitionierten Ziele aus dem aktuellen Regierungsprogramm, das nur noch Indexierungen, allerdings abgesichert bis 2027, vorsieht?
Bereits im Herbst 2020, als das Dreijahresbudget von 12,3 Milliarden Euro für die österreichischen Unis vom damaligen Wissenschaftsminister Faßmann bekannt gegeben wurde, haben wir darauf hingewiesen, dass selbst dieses angepriesene „Rekordbudget“ nicht mehr hergibt als eine Konsolidierung. Wir waren damals trotzdem erleichtert. Es war und ist nicht selbstverständlich, dass uns eine Aufstockung der Mittel trotz anhaltender Pandemie gelungen ist. Heute, etwas mehr als ein Jahr später, ist die Aussicht weniger rosig. Angesichts der aktuellen Entwicklungen ist nun sogar das Konsolidierungsbudget gefährdet. Dass der Minister unsere Bedenken als Folklore abtut, lässt zumindest mich ratlos zurück. Eine galoppierende Inflation, stark steigende Energiepreise und vorfristige Indexanpassungen in den Mieten sowie die andauernden pandemiebedingten Zusatzkosten sind Fakten, mit denen sich die Universitäten in den kommenden drei Jahren auseinandersetzen müssen. Gleichzeitig wollen wir alle das in den letzten drei Jahren Erreichte nicht gefährden – und das wird mit Recht auch von uns erwartet. Vor uns liegt ein heikler Spagat zwischen dem Anspruch, den Status Quo zumindest abzusichern, und den faktischen Gegebenheiten, die die Erreichung dieses Ziels immer schwieriger machen und wenig Anlass für Optimismus geben. Übrigens: Wenn ab 2025 kein Rückbau im System stattfinden soll, wird es wieder ein „Rekordbudget“ brauchen, d.h. die nächste Schlagzeile ist jedenfalls vorprogrammiert.
Nach der Leistungsvereinbarung ist vor der Leistungsvereinbarung und natürlich gehen wir davon aus, dass das ursprüngliche Ziel, die internationale Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Universitäten zu erhöhen, beibehalten wird. Zumindest die FTI-Strategie sieht das vor. Sollen doch zwei österreichische Universitäten bis 2030 unter die Top 100 im THE Ranking gebracht werden. Mit Konsolidierung wird dieses Ziel nicht erreicht werden können. Es wird die Umsetzung der Phase 2 von Unifinanzierung „neu“ benötigen. Dabei geht es aber nicht nur um rein monetäre Aspekte, es geht auch um die Diskussion darüber, welche Aufgaben Universitäten im tertiären Bildungssystem zu erfüllen haben und wie diese finanziert werden, welche Incentives sich aus dem Finanzierungssystem ableiten und was das für die Entwicklung des universitären, aber letztlich des gesamten tertiären Sektors bedeutet, nicht zuletzt auch für die Autonomie der Universitäten.
Schon allein aufgrund der Studierenden- und Mitarbeiter:innenzahlen kommt den Universitäten eine besondere Verantwortung für den österreichischen Hochschulraum zu. Dieser Verantwortung gerecht zu werden, ist nicht immer einfach. Nehmen wir das Beispiel Pädagog:innenbildung: Die Einführung von vier Verbundregionen zur besseren Umsetzung der „Pädagog:innenbildung Neu“ sollte gleichzeitig einen vertieften Austausch zwischen den beiden Hochschultypen unterstützen und die Pädagogischen Hochschulen – auch in puncto Wissenschaftlichkeit – näher an die Universitäten heranführen. Dieses Ziel ist nach wie vor verfolgenswert, wird jedoch immer wieder durch politische Vorgaben erschwert. Glaubt der Gesetzgeber wirklich, dass z.B. die gesetzliche Festlegung, Weiterbildungsaufgaben im Bereich Pädagog:innenbildung ausschließlich an den PHs zu verankern, diesem Ziel dienlich ist? Schon aufgrund der Bedeutung der Pädagog:innenbildung für unsere Gesellschaft muss die Weiterentwicklung der Pädagogischen Hochschulen sachorientiert und ideologiebefreit diskutiert werden.
Leider durch die Pandemie etwas in den Hintergrund gedrängt, aber trotzdem von großer Aktualität, sind die Themen Klimawandel, Nachhaltigkeit und alle anderen Aspekte, die die UN mit der Agenda 2030 über 17 formulierte Sustainable Development Goals adressiert. Hier leisten Österreichs Universitäten auf der inhaltlichen Ebene in Forschung und Lehre hervorragende Arbeit. Darüber hinaus haben unsere Expert:innen, beauftragt von der „Allianz nachhaltiger Universitäten“, in den letzten drei Jahren am sogenannten Optionenbericht „Österreichs Handlungsoptionen für die Umsetzung der UN-Agenda 2030 für eine lebenswerte Zukunft“ gearbeitet und diesen im Dezember letzten Jahres übergeben. Trotzdem sehen wir an dieser Stelle Handlungsbedarf. Unser „Manifest für Nachhaltigkeit“ und die vielfältigen Aktivitäten, die jede einzelne Universität in diesem Gebiet setzt, müssen verstärkt sichtbar gemacht werden. Das setzt auch eine Konsolidierung der verschiedenen Nachhaltigkeitsinitiativen voraussetzt. Dieser Prozess ist gestartet und wird uns 2022 ebenso begleiten, wie die Diskussionen rund um das Thema Universitätsfinanzierung „Neu“ und die Weiterentwicklung des tertiären Sektors.
Sabine Seidler
Präsidentin der Universitätenkonferenz und Rektorin der TU Wien
Zum Thema Leistungsvereinbarung siehe auch:
Seidler zu Unibudget: Konsolidierung, aber keine großen Sprünge
OTS, 04.01.2022